2004 sah es so aus, als würde das Universitätsseminar der Wirtschaft (USW) von der Bildfläche verschwinden. Doch das ehemalige Flaggschiff der Management-Weiterbildung hat wieder Wasser unter dem Kiel: Die Weiterbildungsstätte auf Schloss Gracht hat ihre Teilnehmerzahl in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht. Nötig war dafür eine Umstrukturierung.
Das Premiumprodukt aus Erftstadt bildet den positiven Trend ab: 'Das General Management Seminar ist ausgebucht', heißt es aus dem Universitätsseminar der Wirtschaft (USW). Das Drei-Wochen-Seminar zeigt die Kompetenz der Kaderschmiede: Führungskräfte sollen hier den letzten Schliff bekommen, bevor sie von ihren Unternehmen zum Beispiel in die Bereichsleitung oder in eine Geschäftsführer-Position berufen werden. 30 zukünftige Top-Manager büffeln auf dem Wasserschloss in der Nähe von Köln, das USW erwirtschaftet allein mit dieser Veranstaltung 435.000 Euro Umsatz im
Jahr.
Kleiner Rückblick: Einst war die Veranstaltung die Kernleistung des 1968 gegründeten Instituts. Seine Gründerväter Ludwig Vaubel, Vorstandschef der Enka Glanzstoff AG, und Horst Albach, Betriebswirtschafts-Professor an der Universität Bonn, wollten mit dem USW eine Uni nach der Uni schaffen. 'Ein Freisemester für Manager', beschreibt Prof. Karlheinz Schwuchow, von 1985 bis 1990 Mitarbeiter des USW, das Credo der General-Management-Seminare. In den ersten Jahren verschwanden die Teilnehmer in der Tat für zehn Wochen hinter den dicken Mauern des Wasserschlosses, in etwa so lange, wie ein Semester an der Hochschule dauert; Botschaft während dieser selbst gewählten Klausur: Kontakte zum Büro sind während des Seminars nicht erwünscht.
Größeres Pensum in kürzerer ZeitInzwischen ist das große Seminar von zehn Wochen auf drei Blocks zu je einer Woche eingedampft worden. 'Ein Zugeständnis an den Zeitgeist', sagt Dr. Olaf Plötner, der die Executive-Education-Programme an der European School of Management and Technology (ESMT) koordiniert, der heutigen Mutter des USW. Auch in der Weiterbildung müsse ein größeres Pensum in kürzerer Zeit erledigt werden. 'Die Firmen stellen ihre Mitarbeiter nicht mehr so lange frei wie früher', so Bildungsmanager Plötner. Eine Woche Abwesenheit vom Büro ist heute das längste, was Schloss Gracht seinen Teilnehmern abverlangt. Die 13 Programme, die heute angeboten werden, bieten Lernblocks, die meist drei oder vier Tage kurz sind. Gibt es Stoff zu vermitteln, der über dieses zeitliche Pensum hinaus geht, reisen die Teilnehmer für ein Seminar mehrfach nach Erftstadt.
Trainer kommen selten zum ZugDas Portefeuille umfasst u.a. den USW-Klassiker 'Betriebswirtschaft für Führungskräfte', das Thema 'Controlling für Führungskräfte' sowie weitere Seminare zu Spezialgebieten wie Marketing, Vertrieb, Verhandlungsführung und Strategie. Dozenten sind meist Professoren von deutschen Universitäten. Trainer kommen in den Seminaren nur selten zum Zuge, weil sie, wie es heißt, das hohe inhaltliche Niveau nur selten erreichen. 300 Manager werden bis Ende des Jahres 2009 für ein Seminar nach Erftstadt gereist sein, so die Prognose des USW. 'Wir finden zu alter Stärke zurück', sagt Plötner, der auf fünf Jahre Aufwärtsentwicklung zurückblicken kann. Im Jahr 2004 wurde der Restbetrieb von Schloss Gracht in die ESMT in Berlin integriert. Damals war die Teilnehmerzahl auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, nur 110 Seminarbuchungen meldete das Wasserschloss seinerzeit für seine offenen Programme.
Dieser Niedergang fiel in eine Zeit der Unsicherheit: Einige der Träger des USW waren um die Jahrtausendwende aus dem Förderkreis ausgeschert und trieben die Gründung der ESMT voran. Aus Sicht von Konzernen wie der Allianz, der Deutschen Bank und DaimlerChrysler (heute Daimler) gab es keine Zukunft für das Universitätsseminar, das mehr als 30 Jahre das Flaggschiff der deutschen Management-Weiterbildung gewesen war. 'Mehr Internationalisierung, Kurse in englischer Sprache', so lautete die Forderung, die unter anderem von Manfred Gentz (DaimlerChrysler) und Clemens Börsig (Deutsche Bank) vorgetragen wurde. Die Deutschland AG wollte ihre Business-School haben, die mit ihrem Angebot auf den globalen Markt ausgerichtet ist. 2003 ging die ESMT mit den ersten Angeboten an den Start, die Kurse am USW, befürchteten viele Mitarbeiter seinerzeit, würden auslaufen.
Neue Zielgruppe Mittelstand Doch es kam anders: 'Wir konnten wieder eine verstärkte Nachfrage nach deutschsprachigen Programmen verzeichnen', beschreibt Plötner die Wende. Mittelständler, Hidden-Champions und auf den nationalen Markt ausgerichtete Konzerne bilden seither die Klientel des USW, das mit offenen Seminaren in deutscher Sprache seine Kernkompetenz gefunden hat.
Als Zeichen der Integration firmieren die Seminare in deutscher Sprache seit 2004 unter der neuen Marke 'USW Netzwerk'. Die strategische Steuerung erfolgt nicht mehr aus Erftstadt, sondern aus der ESMT-Zentrale am Berliner Schlossplatz. Finanz-ergebnisse für den Standort im Wasserschloss werden nicht veröffentlicht, aber nach Berechnungen von Training aktuell kommt die Kaderschmiede im fünften Jahr unter den Fittichen der neuen Mutter auf einen Jahresumsatz von 1,9 Millionen Euro.
Von der Zentrale zur FilialeDie Steigerung der Teilnehmerzahl bestätigt zweifellos einen Aufwärtstrend – die Zahlen haben wieder das Niveau des Jahres 2002 erreicht, das als eines der stärksten Jahre in der Geschichte des USW gilt, wie Plötner bekundet. Nur hat sich heute die Stellung der Manager-Bildungsstätte verändert: Bis zur Integration war sie die Zentrale, heute ist sie eine Filiale. An vergangene Zeiten wird die Kaderschmiede wohl nie mehr anknüpfen. 'Wir haben seinerzeit einen Umsatz von vier Millionen Euro erwirtschaftet', berichtet Professor Hermann Simon (D-Mark-Betrag in Euro umgerechnet, Anm. d. Red.). Der heutige Chairman der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners, Bonn, war von 1985 bis 1988 wissenschaftlicher Direktor des Instituts. 1.000 Teilnehmer kamen damals pro Jahr nach Erftstadt, mehr als dreimal so viel wie heute.
Freilich haben sich auch die Rahmenbedingungen in den vergangenen 20 Jahren deutlich verändert. 'Die Seminare sind nicht nur kürzer geworden', sagt Professor Simon, 'internationale Unternehmen kaufen ihre Top-Management-Kurse bei den Anbietern vom Weltmarkt.' Hier zählen Marke und globale Orientierung – beides könne das USW nicht bieten.
Schwer wiegt aber noch ein anderer Trend: 'Das Geschäft mit den offenen Seminaren ist ein schrumpfender Markt', erklärt Weiterbildungsexperte Schwuchow. Während vor zwei Jahrzehnten 70 Prozent des Bedarfs über offene Seminare abgedeckt wurde und nur 30 Prozent über firmenspezifische Programme, sei es inzwischen umgekehrt. 'Die Open-Enrollment-Programme haben ihren Zenit überschritten, viele Anbieter stehen unter Druck', sagt Dr. Annette Gebauer, Inhaberin einer Beratung für Corporate-Learning. Den Grund ortet die Berliner Expertin in den veränderten Erwartungen. 'Die Unternehmen nehmen Abschied von der incentive-orientierten Personalentwicklung.' Führungskräfte würden nicht mehr auf Seminare entsandt, um ihnen ein paar Tage komfortable Auszeit mit intellektuellen Anregungen zu verschaffen.
Die ESMT gedeiht prächtigDas USW rudert mit seinen Erfolgen tapfer gegen diesen allgemeinen Trend an. Aber auch wenn das Geschäft mit den offenen Seminaren in Zukunft auf engere Grenzen stößt, ist das nicht unbedingt ein Nachteil. Denn das Angebot der Mutter ESMT enthält genau das, was viele global aufgestellte Unternehmen heute brauchen: Firmenseminare und englischsprachige Executive-Seminare. In beiden Disziplinen hat sich der Newcomer am Markt schon bewährt.
Unbemerkt von der größeren Öffentlichkeit drehen die Berliner damit inzwischen ein recht großes Rad – allein in den Jahren von 2006 bis 2008 konnte die ESMT ihren Umsatz von 9,7 Millionen Euro auf 17,6 Millionen Euro steigern. Dieser Zuwachs ist vor allem auf die Weiterbildungsprogramme zurückzuführen, da die Einnahmen aus dem MBA kaum ins Gewicht fallen. Auch für das Jahr 2009 wird die Berliner Business-School positive Zahlen verbreiten. 'Prognosen geben wir nicht ab, aber trotz der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse blicken wir vorsichtig optimistisch in die Zukunft', sagt Kristin Dolgner, eine Sprecherin der ESMT.