Im zweiten Teil der Trendanalyse* gehen wir der Frage nach, welche Themen und Inhalte das Geschehen auf dem Weiterbildungsmarkt bestimmen. Wir fragten die Weiterbildungsanbieter: 'Welche Themenschwerpunkte haben Ihrer Einschätzung nach momentan und zukünftig auf dem Trainingsmarkt die größte Bedeutung?' Dabei sollten unter 20 Themenbereichen maximal fünf für die momentane Einschätzung und ebenso maximal fünf für die prognostizierte Entwicklung angekreuzt werden.
Spitzenreiter aus Sicht der Seminar- und Weiterbildungsanbieter ist und bleibt das Thema 'Menschenführung'. 57,8 Prozent der Weiterbildungsanbieter halten dieses Thema für eines der derzeit wichtigsten und prognostizieren auch für die Zukunft eine noch stärkere Bedeutung (67,0 Prozent). Das wichtigste Thema nach 'Menschenführung' wird zukünftig Persönlichkeitsentwicklung sein: 43,4 Prozent halten es in Zukunft für besonders wichtig - 12,2 Prozent mehr als derzeit. Dabei setzt es sich in seiner Bedeutung sogar noch knapp vor die Themen 'Verkauf/Marketing' sowie 'allgemeines Management'. Auffällig ist, daß in diesem Zusammenhang auch Themen wie Lebensplanung, Fitness, Sprachen sowie der Bereich Gehirn und Lernen nach Einschätzung der Seminaranbieter stark an Bedeutung zulegen werden. Der Themenbereich Personalmanagement - vom Coaching über Personal- und Potentialbeurteilung - gewinnt demnach ebenfalls stark an Aufmerksamkeit (jetzt: 21,8 Prozent/zukünftig: 36,3 Prozent). Die Seminaranbieter sehen sich offenkundig in Zukunft wieder verstärkt mit der Qualifizierung und dem Training des Individuums beschäftigt.
Der Mensch (wieder) im Mittelpunkt?
Ist dies vielleicht der zwangsläufige Pendelschlag zurück, nachdem sich die Weiterbildung und Qualifizierung in den vergangenen Jahren allzu sehr auf die Optimierung von Unternehmensstrukturen und -prozessen, Organisationsentwicklungsmaßnahmen und TQM-Konzepte konzentrierte? Noch eindeutiger als die Weiterbildungsanbieter haben inzwischen sogar die Unternehmen Führungsdefizite ausgemacht. Wir stellten ihnen die Frage: 'In welchen Bereichen besteht Ihrer Einschätzung nach in Ihrem Unternehmen momentan wie zukünftig der größte Bildungsbedarf?' Dabei sollten sie - ähnlich wie die Seminaranbieter - unter 20 Themenbereichen maximal fünf für den momentan bestehenden und ebenso maximal fünf für den prognostizierten Bildungsbedarf ankreuzen. Mit 72,2 Prozent setzten sie das Thema 'Menschenführung' mit weitem Abstand auf den ersten Platz. Zwar wird von ihnen die Bedeutung dieses Bereiches für die Zukunft als leicht rückläufig eingeschätzt (nur noch 63,5 Prozent), jedoch bleibt er trotz des gesunkenen Wertes auf der Spitzenposition. Und auch das Thema Personalmanagement wird von den Unternehmen wie von den Weiterbildungsanbietern gleichermaßen als zunehmend bedeutungsvoller eingeschätzt (zukünfitg +11,1 bzw. +14,5 Prozent).
Unterschiedliche Einschätzungen
Folgt der derzeitigen Phase der Weiterbildung zum Zwecke der reinen Kostenreduzierung und Rationalisierung also eine Phase, in der Human-Ressourcen wieder als das Pfund angesehen werden, mit dem ein Unternehmen im Wettbewerb wuchern kann? Ein weiterer Trend deutet ebenfalls in diese Richtung. Das schon häufig totgesagte Thema Unternehmenskultur - die sträflich vernachlässigte Größe bei überwiegend kostenorientierten Umstrukturierungsprozessen - wird aus Sicht der Seminaranbieter gewaltig an Bedeutung zulegen. Nur 10,3 Prozent halten es derzeit für wichtig, für die Zukunft erachten es 27,5 Prozent als bedeutungsvoll. Indes: Die Weiterbildungsverantwortlichen in Unternehmen kommen bei diesem Thema zu einer erheblich abweichenden Einschätzung. 14,3 Prozent der Personalverantwortlichen betrachten Unternehmenskultur momentan als einen Bereich, in dem Bildungsbedarf besteht, 21,4 Prozent sehen diesen Bereich zukünftig als bedeutend an. Hier steht einer Differenz von 7,1 Prozentpunkten beider Beurteilung seitens der Personalverantwortlichen einer Differenz von 17,3 Prozentpunkten bei den Seminaranbietern gegenüber.
Das Thema Produkt- und Qualitätsmanagement wird in der tendenziellen Bedeutung sogar grundsätzlich anders bewertet. Aus Sicht der Unternehmen gewinnt es zukünftig erheblich an Gewicht (+11,1 Prozent), für die Weiterbildungsanbieter ist es hingegen ein Thema dessen Höhepunkt überschritten ist (zukünftig -10,7 Prozent). Eine ebenfalls gegensätzliche Beurteilung gibt es beim Thema 'allgemeines Management', unter das Aspekte wie Organisationsentwicklung und Unternehmensstrategie fallen. Mit zukünftig 46,8 Prozent wird dieses Thema für die Unternehmen nach der 'Menschenführung' das mit dem größten Bildungsbedarf sein. Die Weiterbildungsanbieter prognostizieren hier einen Rückgang, immerhin 42,2 Prozent erachten es aber auch in Zukunft für wichtig. Thema Verkauf: Auch hier sehen die Weiterbildungsanbieter die Bedeutung von Verkaufstrainings als schwindend an (ein Minus von 8,5 Prozent), in den Augen der Personalverantwortlichen wächst der Bildungsbedarf hingehen um 8 Prozentpunkte.
Weiterbildungsdefizite werden intern behoben
Wer nach Erklärungen für diese unterschiedlichen Einschätzungen sucht, muß die veränderten Rahmenbedingungen betrieblicher Weiterbildung sowie ein verändertes Weiterbildungsverständnis in Betracht ziehen: Während Seminaranbieter als zukünftige Themen solche ausmachen, die ihnen vermeintlich Aufträge einbringen, beurteilt das Unternehmen nach anfallendem Bildungsbedarf. Und der mag beispielsweise im Verkauf nach wie vor hoch sein - nur daß von dieser Entwicklung die externen Weiterbildungsanbieter nicht zwangsläufig profitieren müssen. Das Credo der Unternehmen lautet: Der zu erwartende Bildungsbedarf wird zunächst einmal mit internen Mitteln und On-the-job-Maßnahmen abgedeckt. Viele Maßnahmen in den Bereichen Menschenführung, Persönlichkeitsentwicklung und Personalmanagement die nen dabei einem vordringlichen Ziel: Die eigenen Führungskräfte dahingehend zu qualifizieren, im Unternehmen erkannte Weiterbildungsdefizite zukünftig ohne externe Hilfe bewältigen zu können - oder, besser noch, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Kein Wunder also, daß Unternehmen hier den größten Bildungsbedarf ausmachen. Bei Themen wiederum, die der individuellen Aneignung von Fach- und Methodenwissen dienen (z.B. Zeitmanagement, Sprachen, betriebswirtschaftliches Know-how), nehmen die Unternehmen verstärkt den einzelnen Mitarbeiter in die Pflicht, sich diese Dinge gegebenenfalls auch in der Freizeit anzueignen. Die unternehmenseigene Bildungsabteilung - so es sie als zentrale Einrichtung überhaupt noch gibt - sieht es nicht mehr als selbstverständlich an, die persönlichen Wissensdefizite einzelner Mitarbeiter aufzufangen. Und immer seltener läßt ein knappes Budget solche Maßnahmen zu.
Unternehmen investieren in
Human-Ressourcen Fazit: Es wird in den Bildungsabteilungen der Unternehmen zwar mit spitzem Bleistift kalkuliert, aber keinesfalls undifferenziert der Rotstift angesetzt. Knapp über die Hälfte der von uns befragten Unternehmen, nämlich 53,3 Prozent, haben die Anzahl ihrer Seminartage 1995 gegenüber dem Vorjahr erhöht, nahezu 9 Prozent der Unternehmen verzeichneten sogar eine starke Steigerung. In Anbetracht der Tatsache, daß 24,2 Prozent der Personalverantwortlichen von keiner Veränderung hinsichtlich der Seminartage berichten konnten und nur lediglich 22,6 Prozent die Anzahl ihrer Seminartage reduzieren mußten, kann man tendenziell behaupten, daß der Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiter ein relativ hoher Stellenwert zukommt. Diese Entwicklung scheint unabhängig von der Unternehmensgröße zu sein: So erhöhten sowohl Kleinunternehmen mit nur 1 bis 5 Mitarbeitern die Anzahl ihrer Seminartage als auch Großunternehmen mit Mitarbeiterzahlen über 5.000.