Die wirtschaftliche Krise spiegelt sich in den Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen: Die Themen Verkauf und Marketing haben für Trainer beträchtlich an Bedeutung gewonnen. Das Weiterbildungsthema der Zukunft ist aber ein anderes: Coaching.
Zukunftsweisende Weiterbildungsmaßnahmen oder doch lieber 'Handfestes'? Der Zwiespalt zwischen 'Man müsste eigentlich' und 'Wir machen tatsächlich' eint viele der 366 Weiterbildungsanbieter und 98 Unternehmen, die sich im Juli 2003 im Rahmen der jährlichen Trendanalyse des Verlages managerSeminare zum gegenwärtigen Geschehen auf dem Weiterbildungsmarkt äußerten. Die Krise ist zu gegenwärtig, als dass über Zukunftsszenarien nachgedacht werden kann. So lässt sich das Themenportfolio vieler Unternehmen in Sachen Weiterbildung getrost mit dem Wort konservativ beschreiben. In den Bereichen Mitarbeiterführung, Präsentieren/Moderieren oder IT/Neue Medien schulen praktisch alle Betriebe ihre Mitarbeiter. Auch dem Weiterbildungsbedarf im Zeitmanagement sowie in Verkauf/Marketing kommen die Unternehmen in der Regel nach. Hingegen fehlen zurzeit bei rund 40 Prozent Train-the-Trainer-Qualifizierungen im Bildungsportfolio - ein deutliches Indiz für das minimalistische Engagement vieler Betriebe, die lediglich die akuten Bildungsdefizite beheben.
Wie schätzen nun die Anbieter und Nachfrager selbst - die Trainer sowie die Unternehmen - die gegenwärtige und zukünftige Bedeutung von Weiterbildungsthemen ein? Unter 20 vorgegebenen Themenbereichen konnten die Befragten ihre jeweils fünf Favoriten ankreuzen.
IT/Neue Medien - für Bildungsanbieter kein Thema mehr
Einig sind sich Weiterbildungsanbieter und Unternehmen bereits seit Jahren in einem Punkt: Das Thema Mitarbeiterführung hat in den aktuellen Weiterbildungsbemühungen einen unangefochtenen Spitzenplatz inne. Dahinter folgen bei den Anbietern die Themen Verkauf/Marketing, Coaching, Teambildung/-führung sowie Organisationsentwicklung und Projekt-/Prozessmanagement. Auffällige Verschiebung gegenüber dem Vorjahr: Das Thema Verkauf/Marketing hat für die Trainer beträchtlich an aktueller Bedeutung gewonnen. Das verwundert kaum: Die schlechte Konjunktur ist gut für Verkaufstrainings, von denen Unternehmen sich schnell sichtbare (Umsatz-)Erfolge versprechen. Der Bereich IT/Neue Medien hingegen scheint sich als Top-Weiterbildungsthema auf Seiten der Anbieter verabschiedet zu haben. In der Vergangenheit war er immer unter den ersten drei Plätzen zu finden. Im vergangenen Jahr rangierte das Thema nur noch auf Platz zehn, nun ist es ins hintere Mittelfeld abgerutscht. Eine der Ursachen: IT-Trainings machten bis dato das Gros öffentlich geförderter Umschulungsmaßnahmen aus. Mit der im Zuge der Hartz-Gesetze veränderten Förderungsrichtlinien ist dieser Markt in 2003 jedoch drastisch eingebrochen.
Auf Seiten der Unternehmen zählen nach der Mitarbeiterführung die Bereiche Verkauf/Marketing, Organisationsentwicklung, Konfliktmanagement sowie IT/Neue Medien zu den momentan wichtigsten Themen. Im Vorjahresvergleich haben sich Themen und Rangfolge praktisch nicht verschoben - mit einer bezeichnenden Ausnahme: Der Themenbereich Teambildung/-führung wurde durch Konfliktmanagement abgelöst. Die schlechte Geschäftslage, Personalfreisetzungen und Zukunftsängste hinterlassen ihre Spuren in der emotionalen Befindlichkeit der Mitarbeiter. Arbeitsklima und Zusammenarbeit leiden. Wer will vor diesem Hintergrund ernsthaft über Teamarbeit und Teamentwicklung nachdenken?
Coaching: Top-Thema der Zukunft
Weitgehend einig sind sich Unternehmen wie Weiterbildungsanbieter bei der künftigen Entwicklung der Weiterbildungsschwerpunkte: Coaching steht bei beiden oben an, dahinter folgen Mitarbeiterführung und Organisationsentwicklung. Im Vorjahr hatten Unternehmen noch die Organisationsentwicklung zum zukünftigen Top-Thema deklariert. Dass diese nun auch Coaching priorisieren, könnte auf einen Einstellungswandel hinweisen: Der Ausgangspunkt für eine langfristig erfolgreiche Unternehmensentwicklung ist letztlich der kompetent handelnde Mitarbeiter in verantwortlicher Position. Coaching wäre somit ein effektiver Hebel, um OE-Prozesse in Gang zu setzen. Ob Coaching das leisten kann, wird die Zukunft zeigen. Die Erwartungen sind jedenfalls immens, zumal sich zunehmend die Überzeugung durchsetzt, dass prozesshafte und themenübergreifende Weiterbildungsmaßnahmen wesentlich effektiver sind als punktuelle mit einem engen thematischen Fokus.
Diese Überzeugungen geraten in Krisenzeiten jedoch auch schnell wieder in Vergessenheit. So bedauert ein Trainer, 'dass Unternehmen keinen Mut haben, innovative Konzepte einzusetzen, auch wenn diese erwiesenermaßen erfolgreich sind'. Stattdessen werde dann doch wieder auf Standardmaßnahmen zurückgegriffen. Dass der Mensch unter Leidensdruck sein Heil in bekannten, aber nicht unbedingt vernünftigen Lösungen sucht, gehört eben auch zu den Standardweisheiten eines jeden Weiterbildners - und ebenso, dass ein entsprechendes Umdenken zu den langwierigsten Lernprozessen in Organisationen zählt. So ist die rund 2.000 Jahre alte Weisheit von Seneca nach wie vor aktuell: 'Nicht weil es schwer ist, wagen wir's nicht, sondern weil wir's nicht wagen, ist es schwer.'
Quelle: Jürgen Graf (Hrsg.), Seminare 2004. Das Jahrbuch der Management-Weiterbildung, Bonn 2004, ISBN 3-936075-09-3, 49,90 Euro.