Fast jeder zweite Bildungsanbieter kämpft mit rückläufigen Auftragszahlen. Um an Kunden und
Aufträge zu kommen, werden nun auch heilige Kühe geschlachtet: 37 Prozent der Trainer haben
nach eigenen Angaben ihre Honorarsätze gesenkt.
'Die Schere zwischen den Unternehmen, die handeln, und denen, die nur noch sparen, geht immer weiter auseinander.' So fasst ein Trainer seine Erfahrungen zur aktuellen Situation der betrieblichen Weiterbildung zusammen. 2003 war kein gutes Jahr für die Branche. Der 'Wachstumsmarkt Weiterbildung' kämpft mit der Stagnation, Trainer und Bildungsanbieter erleben, was es mit dem im Controller-Deutsch so harmlos klingenden 'gestiegenen Kostenbewusstsein' auf sich hat. Aufträge werden kurzfristig storniert, Preise für Seminare geraten ins Rutschen, um Honorare wird hart verhandelt. Für das Gros der 366 Weiterbildungsanbieter und 98 Weiterbildungsverantwortlichen in Unternehmen, die sich im Juli 2003 an der jährlichen Trendanalyse des Verlages managerSeminare beteiligten, bestimmen entsprechend Diskussionen um die Arbeitsbedingungen den beruflichen Alltag - und weniger die Inhalte der Weiterbildung.
Weiterbildung ist kein Selbstläufer
Als Illusion hat sich die verbreitete Einschätzung erwiesen, dass Wachstum und Weiterbildung quasi in einer symbiotischen Beziehung zueinander stehen, die sich abgekoppelt von der konjunkturellen Lage entwickelt: Läuft die Wirtschaft, investieren Unternehmen selbstverständlich auch in Weiterbildung. Läuft die Wirtschaft nicht, müssen Unternehmen erst recht in Weiterbildung investieren, um sich für zukünftige Wachstumschancen zu wappnen.
Die Realität ist eine andere: Weiterbildung erweist sich nicht als Zugpferd, sondern als Anhängsel der Konjunktur. Deutlichstes Indiz sind die rückläufigen Aufträge, von denen 46 Prozent der Weiterbildungsanbieter betroffen sind. Lediglich knapp 32 Prozent können sich über vollere Auftragsbücher als in 2002 freuen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Auftragslage damit nochmals um rund drei Prozentpunkte verschlechtert. Einzeltrainer trifft die schlechte Geschäftslage noch relativ glimpflich. Unter ihnen klagen 43 Prozent, dass die Geschäfte schlechter laufen. Immerhin ein knappes Drittel vermeldet hingegen mehr Aufträge als im Vorjahr. Prekär ist hingegen die geschäftliche Situation der großen Bildungsanbieter. Knapp 64 Prozent der Institute mit 26 bis 50 Mitarbeitern und sogar 69 Prozent der Anbieter mit mehr als 50 festen Mitarbeitern kämpfen mit einer schlechteren Auftragslage (siehe Abb. S. 4). Neben der Konjunkturflaute macht den großen Bildungsträgern die veränderte Ausschreibungspraxis für öffentlich geförderte Weiterbildungsmaßnahmen zu schaffen. Der Milliarden Euro schwere Markt der Umschulung ist praktisch weggebrochen.
Der Wettbewerb um die knappen Kundenaufträge wird dabei längst auf breiter Front über den Preis ausgetragen. Und fast ist man geneigt zu sagen: Parallelen zu den ruinösen Rabattschlachten in der Automobilindustrie tun sich auf. 37 Prozent der Trainer und Bildungsanbieter geben zu, dass sie ihre Honorarsätze im Vergleich zum Vorjahr senken mussten. Gegenüber der Befragung im Juli 2002 ist dies fast eine Verdopplung. Nur jeder zehnte Trainer gibt an, er habe höhere Honorarsätze mit seinen Auftraggebern aushandeln können (siehe Abb. rechts oben). 'Qualität ist oft sekundär, der Preis ist wichtig, das Produkt muss gut aussehen und gut verkauft werden', beschreibt ein Trainer seine Erfahrungen im Kundenkontakt.
Die sinkenden Honorarsätze treffen den Einzeltrainer ebenso wie den Großanbieter, ziehen bisweilen jedoch unterschiedliche Auswirkungen nach sich. Großanbieter bestreiten einen maßgeblichen Teil ihres Geschäfts mit Standardseminaren, die einem besonders starken Preisdruck unterliegen. Hier macht das günstigste Angebot das Rennen, entsprechend locken die Anbieter mit 'Frühbucherrabatten' und 'Gruppentarifen', um ihre Kapazitäten auszulasten.
Spezialisierte Trainer erleben den Druck auf die Honorare häufig auch in Form von geforderten Zusatzleistungen, die unentgeltlich oder zu extra ausgehandelten Sonderkonditionen zu erbringen sind. Flankierende Transferbegleitung und Follow-up-Workshops sind zumindest nützliche Instrumente effektiver Weiterbildung. Für Einzeltrainer steigt damit jedoch der begleitende administrative und zeitliche Aufwand enorm.
Keine Zeit zum Lernen
An der Kostenschraube drehen die Unternehmen aber auch an anderer Stelle: Die Schulungszeiten werden gekürzt, die Lerninhalte sollen komprimiert in möglichst einem, maximal zwei Tagen vermittelt werden. 45 Prozent (Vorjahr: 34 Prozent) der Seminaranbieter geben an, dass sich die Dauer von Seminaren und Workshops im Vergleich zum Vorjahr weiter verkürzt hat, lediglich drei Prozent stellen eine Erhöhung der Seminarzeiten fest. Entsprechend stellt ein Drei-Tages-Training bei Bildungsanbietern inzwischen eher die Ausnahme dar, zwei Drittel der Veranstaltungen sind zwei Tage und kürzer (siehe Abb. rechts unten).
Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Für Trainer ist dies fatal. Kommen sie dem Wunsch ihrer Auftraggeber entgegen, wird es für sie immer schwieriger, Erfolg und Nachhaltigkeit ihrer Arbeit plausibel zu vermitteln. Neues Wissen braucht Zeit, um sich beim Teilnehmer zu setzen. Das gilt erst recht für den Transfer am Arbeitsplatz. Und ob alle Unternehmen Intervalltrainings, Follow-up-Workshops oder Lernbegleitungen vor Ort mit der Konsequenz betreiben, dass eine weitere Verkürzung der eigentlichen Schulungsphasen kompensiert werden kann, erscheint in der derzeitigen Situation eher zweifelhaft.