'Ich habe in 20 Jahren so etwas wie seit Juli 2001 noch nicht erlebt! Der 11. September ist aus meiner Sicht nur ein vorgeschobener Grund für die Stimmung im Lande.' Fassungslos und auch ein wenig resigniert klingen die Worte eines Trainers angesichts des um sich greifenden Konjunkturpessimismus. Die wirtschaftlich trüben Aussichten haben die Weiterbildungsbranche aus allen Wachstumsträumen gerissen. Landauf, landab werden HR-Programme und Fortbildungen verkürzt, verschoben oder gleich ganz gestrichen. Das grassierende Rotstift-Management der Unternehmen belegen nicht nur die Statements von Trainern, sondern auch die aktuellen Zahlen der jährlich durchgeführten Trendanalyse des Bonner Verlages managerSeminare, an der sich im Juli 2002 512 Weiterbildungsanbieter sowie 141 Weiterbildungsverantwortliche in Unternehmen beteiligten.
Die Auftragslage: mehr schlecht als recht
Fast 44 Prozent der Weiterbildungsanbieter verzeichnen eine gegenüber dem Vorjahr rückläufige Auftragslage, lediglich 35 Prozent können sich über vollere Auftragsbücher freuen (vgl. Abb. S. 2). Die Vorjahreszahlen verdeutlichen, wie dramatisch der Einbruch ist: Bei der Befragung im Juli 2001 gaben noch fast 56 Prozent an, dass sich die Auftragslage gegenüber dem Vorjahr verbessert hat, lediglich knapp 18 Prozent mussten einen Rückgang hinnehmen.
Einzeltrainer sind von der schlechten Geschäftslage offenbar nicht ganz so betroffen. Von ihnen klagen lediglich rund 31 Prozent, dass die Geschäfte schlechter laufen. Institute mit mehreren festen Mitarbeitern müssen hingegen zu weit über 40 Prozent mit rückläufigen Aufträgen kämpfen. Nach Jahren des beinahe selbstverständlichen Wachstums ist das für viele Weiterbildungsanbieter eine völlig neue Situation. Die jedoch durchaus einen positiven Effekt nach sich ziehen kann: Die bis dato stetig steigende Nachfrage nach Weiterbildung hat es auch vielen mittelmäßigen Anbietern erlaubt, mit schlicht gestrickten Konzepten und Maßnahmen viel Geld zu verdienen. Diese Zeiten dürften ein für allemal vorbei sein - und der Weiterbildungsmarkt hätte somit die Chance, sich auf einem qualitativ höheren Niveau zu konsolidieren.
Preise kommen unter Druck
Der Geist von Ignacio Lopez, als Einkaufschef bei Opel und VW ebenso erfolgreich wie gefürchtet, weht längst auch durch die PE-Abteilungen der Unternehmen. 'Investitionen in die Qualifikation von Beschäftigten werden sehr viel genauer auf ihren Wertschöpfungsbeitrag hin geprüft', beschreibt ein Trainer die wachsende Sensibilität der Auftraggeber für Aspekte des Bildungscontrollings. Was heißt: Das Preis-/Leistungsverhältnis entscheidet. Nicht jede Maßnahme muss dem Nonplusultra moderner Personalentwicklung entsprechen. Bisweilen tut es auch ein schlichtes Standardseminar. Und da greift das Unternehmen konsequent auf das günstigste Angebot zurück. So verfallen in diesem Segment zusehends die Preise.
Schnelles Geld ist mit Weiterbildung nicht mehr zu verdienen. Jeder fünfte gibt zu, dass er seine Honorarsätze im Vergleich zum Vorjahr senken musste, bei der Befragung im Juli 2001 waren dies lediglich acht Prozent. Und von den 35 Prozent, die damals gestiegene Honorarsätze vermeldeten, ist das Resultat der aktuellen Befragung ebenfalls weit entfernt: Nur noch knapp 18 Prozent - also praktisch die Hälfte - geben an, sie hätten höhere Honorare durchsetzen können. Inzwischen - so zürnt ein Trainer - gingen Kollegen offen dazu über, ihre Seminare statt über die Qualität über den Preis zu verkaufen. Bis zu 60 Prozent Nachlass würden teilweise gewährt. Kurz: Bildung ist auf dem Weg zum ganz normalen Produkt, das den Marktprinzipien unterliegt.
Weiterbildung muss effizient sein
Dass Zeit Geld ist, gehört inzwischen ebenfalls zu den ernüchternden Feststellungen, die schwer mit dem humboldtschen Bildungsideal in Einklang zu bringen sind. Weiterbildungsanbieter berichten nicht nur über Lerninhalte, die immer komprimierter vermittelt werden sollen, sondern auch über immer kürzere Planungszeiträume. Haben sich Unternehmen zu einer Maßnahme durchgerungen, muss die Umsetzung besser heute als morgen erfolgen - was selbstredend auch für den Lernerfolg gilt. 'Immer kürzere Maßnahmen sollen noch erfolgreichere Ergebnisse bringen', kommentiert ein Trainer die Entwicklung mit Sarkasmus.
Ein Trend der Vorjahre setzt sich damit fort: Ein Drittel der Seminaranbieter gibt an, dass sich die Dauer von Seminaren und Workshops im Vergleich zum Vorjahr weiter verkürzt hat, lediglich drei Prozent stellen noch eine Erhöhung der Seminarzeiten fest. Ein Drei-Tages-Seminar stellt bei Bildungsanbietern die Ausnahme dar, zwei Drittel der Veranstaltungen sind zwei Tage und kürzer (siehe Abb. S. 3). Dieser fundamentale Trend trifft die Weiterbildungsanbieter gegenwärtig doppelt hart: Sie müssen mehr Aufträge akquirieren, um die kalkulierten Trainingstage und Umsätze zu erzielen - und das bei einem äußerst zurückhaltenden Weiterbildungsengagement der Unternehmen.