Einen Monat nach Silvester stellt sich für manchen schon die Frage, was eigentlich aus seinen guten Vorsätzen fürs neue Jahr geworden ist. Andere nehmen sich erst gar nichts vor, weil sie das klägliche Versagen ihrer Willenskraft schon vorhersehen. All dies wäre nicht dramatisch, wenn die Selbststeuerungsschwäche nur ein Neujahrsphänomen wäre. Einer der legendärsten Versuche der Psychologiegeschichte zeigt jedoch, dass die Fähigkeit zur Selbstdisziplin – oder der Mangel daran – Auswirkungen auf das ganze Leben haben kann.
Es handelt sich um den Marshmallow-Test, den der Persönlichkeitspsychologe Walter Mischel 1968 bis 1974 am Kindergarten des Stanford-Campus durchführte. Der Versuchsleiter setzte vierjährigen Kindern Süßigkeiten vor und sagte, er würde den Raum verlassen. Die Kinder könnten den Marshmallow sofort essen, wenn sie jedoch bis zu seiner Rückkehr warteten, würden sie zwei Marshmallows erhalten. Getestet wurde somit die Fähigkeit, eine unmittelbare Belohnung zugunsten eines zukünftigen Zieles aufzuschieben (Delay of Gratification).
Während der Versuch ursprünglich darauf abzielte, Strategien zur Impulskontrolle zu beobachten, zeigte sich erst Jahre später seine ganze Tragweite: Die Teilnehmer, die bereits als Kindergartenkinder die Fähigkeit besessen hatten, der süßen Verlockung zu widerstehen, waren als junge Erwachsene erfolgreicher in Schule und Ausbildung, hatten weniger Probleme mit Drogen, einen niedrigeren Body-Mass-Index und zeigten ein kompetenteres Beziehungs- und Sozialverhalten. All diese Effekte waren unabhängig von der Intelligenz. Damit bestätigt der Marshmallow-Test die landläufige Meinung, dass der private und berufliche Erfolg genauso stark von der Selbstdisziplin abhängt wie vom IQ.