2011 erhielt ich den Auftrag, eine interne Trainerausbildung bei einem lokalen Energieversorger im Süden der Republik fortzusetzen. Insgesamt vier Stufen hatten die Teilnehmer bereits bei mir durchlaufen. Dieses Mal sollte es vor allem darum gehen, bereits gelernte Methoden und Inhalte aufzufrischen und weiter zu vertiefen.
TTT-Formate stellen aus meiner Sicht hohe Anforderungen an den Trainer: für mich persönlich, weil ich diese Formate eher unregelmäßig durchführe und daher intensiver vorbereiten muss. Allgemein, weil die Teilnehmer die Logik des Ablaufs, das Timing der Übergänge und die Effektivität der Inhalte und Übungen aus einer zunehmend kritischeren Vogelperspektive analysieren können (zumindest, wenn der Trainer seinen Job gut gemacht hat).
Ständig steht die Frage im Raum: Wie schafft es der Trainer, immer wieder Relevanz herzustellen, Transfer zu schaffen durch emotionale Intensität und für Resonanz zu sorgen? Kleine Inkonsistenzen werden mir (auch von mir selbst) in einem klassischen Kommunikationstraining gerne vergeben, aber in einem TTT-Format heißt es ohne Ausnahmen: Walk your talk!
Mein Plan war es, eine Art Best-of der bisherigen Stufen durchzuführen und inhaltlich weiter zu vertiefen. Für mich bedeutete das einen großen Vorbereitungsaufwand, denn die Inhalte, Kernsätze und Storys aller vier Stufen müssen abrufbereit in meinem Kopf sein, und die dazugehörigen Flipcharts (ich schätze mal so an die 25) müssen zum großen Teil neu gemalt und vorbereitet werden. Da ich selbst nach über zehn Jahren Trainerkarriere noch nicht so toll malen kann, aber trotzdem den Anspruch habe, damit zu beeindrucken, zeichne ich meine Charts immer im Vorfeld zu Hause vor und gebe ihnen dann vor Ort im Training lediglich den letzten Schliff.
Gesagt, getan. Am Mittwochmittag stieg ich in Hamburg in den Flieger nach München – perfekt vorbereitet. Im Bauch des Fliegers zwei große, gut gefüllte Koffer mit allem Equipment für drei intensive TTT-Tage.
Am Flughafen München dann die immer gleiche Routine – nur dass dieses Mal die Wartezeit am Gepäckband nicht enden wollte. Nach einer gefühlten Ewigkeit erschien ein Hinweis auf den Displays: Wegen eines Streiks des Flughafenpersonals verzögerte sich die Gepäckauslieferung um etwa 15 Minuten. Na toll! Aber Gott sei Dank plane ich für die Anreise immer sehr großzügig Zeit ein, und das Training startete ohnehin erst am nächsten Morgen. Nicht nach 15, aber immerhin nach 20 Minuten dann ein neuer Hinweis: Es würde zu weiteren Verzögerungen kommen. Dieses Mal war die Rede von 25 Minuten. So ging es noch eine ganze Weile weiter.
Endlich aber kam das Gepäck. Mit mir stürzten sich die anderen 180 Fluggäste aus Hamburg auf ihre Taschen und Koffer. Nur: Wo war denn nun mein Koffer? Nach einer Weile standen mit mir noch etwa 20 Leute am Gepäckband und starrten ungläubig auf die Ausgangsluke, wo nur der Werbekoffer von Sixt alle zweieinhalb Minuten seine Runde drehte.
Nach der zwanzigsten Sixt-Koffer-Runde, schon fast schwindelig, ging ich nachfragen, wo mein Gepäck sei. Am Schalter herrschte das totale Chaos: Ungefähr 200 Menschen drängelten sich dort. Gerüchte machten die Runde, dass mehrere Maschinen nicht oder nur teilweise entladen worden waren. Das Gepäck der Fluggäste aus Hamburg sei angeblich bereits auf halber Strecke nach Norwegen!
Mir wurde ganz flau im Magen. Morgen um 9 Uhr sitzen zwölf Führungskräfte und angehende Trainer im Hotel Alpenblick mit erwartungsvollen Mienen, und ich habe kein Equipment, wurde mir schlagartig klar. Keine Kamera, keine Übungsmaterialien, keine Moderationskarten, keine Charts (!). Und nicht einmal eine Unterhose zum Wechseln.
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Der Beitrag stammt aus dem Buch: Schulze-Seeger, Jürgen u.a.: Abenteuer aus der Trainerhölle. Strategien und Lösungen für 49 kritische Seminarsituationen. Beltz, Weinheim 2013, 39,95 Euro -
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