An der Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation kommen Unternehmen nicht mehr vorbei. Doch das SIETAR-Symposium vom 2. bis 4. März 2006 bewies: Das Thema ist theoretisch schwer zu greifen. Um so größer war das Besucher-Interesse an praktischen Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag.
'Man kann nicht nicht kommunizieren', hat der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik festgestellt. Wer sich mit dem Thema interkulturelle Kommunikation beschäftigt, kann diese These erweitern: Man kann nicht über fremde Kulturen sprechen, ohne wesentlich von der eigenen beeinflusst zu sein. Deutlich wurde diese Schwierigkeit beim SIETAR-Symposium Anfang März. Der deutsche Ableger der Society für Intercultural Education, Training and Research (Sietar) hatte nach Bonn eingeladen, um 'Interkulturelle Arbeitsfelder in Deutschland - Herausforderungen und Lösungsansätze' zu beleuchten.
Rund 200 Teilnehmer waren zum zweitägigen Symposium gekommen. Etwa die Hälfte davon waren Nicht-Mitglieder von SIETAR, was Christine Wirths besonders freute. Die erste Vorsitzende von SIETAR Deutschland e.V. hat nämlich noch einiges vor: 'Wir wollen die Organisation bekannter machen, mehr Regional- und Fachgruppen aufbauen.' Die Veranstaltung nutzte sie als Plattform: Allerorten hingen Listen, auf denen die Besucher ihr Interesse an SIETAR und an einer Mitarbeit in der Organisation bekunden konnten.
Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis
SIETAR will eine Brücke schlagen zwischen Theorie und Praxis der Interkulturalität. Diesem Ziel hat sich die Organisation verschrieben - und dieses Ziel sollte auch mit dem Symposium verfolgt werden. Doch schnell zeigte sich: Theoretische Überlegungen haben ihre Tücken - denn jeder schätzt die Herausforderungen interkultureller Arbeit aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung anders ein.
Deutlich wurde dies beispielsweise bei der Podiumsdiskussion, die die 'Interkulturelle Arbeit im Wandel - Rückblicke und Ausblicke' beleuchten sollte. Alexander Thomas, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Regensburg und ein Wegbereiter der interkulturellen Forschung in Deutschland, wies darauf hin, dass die Rolle der Religion bei interkulturellen Trainings hier zu Lande unterschätzt werde. Wer Menschen auf eine Arbeit in islamischen Ländern vorbereite, müsse sie darauf einstellen, dass religiöse Vorstellungen dort die ganze Gesellschaft prägen. In Deutschland würde dies oft vernachlässigt, weil die Religion hier nur im privaten Raum stattfinden würde. Eine Französin aus dem Publikum widersprach dieser Annahme: 'Schulkinder beginnen das neue Schuljahr, indem sie gemeinsam einen Gottesdienst besuchen', berichtete sie von ihren Erfahrungen. Dass Deutsche ihre Gesellschaft als säkularisiert bezeichnen, konnte sie nicht nachvollziehen. Anderer Meinung als Thomas war auch der Islamwissenschaftler Elias Jammal: 'In manchen Gegenden Deutschlands, wie etwa in Schwaben, nimmt die Religion viel mehr Platz im gesellschaftlichen Leben ein als in den meisten islamischen Ländern.'
Rapide Internationalisierung erzwingt neue Ideen
So schwer das Thema Interkulturalität auch zu greifen ist, so wichtig ist es dennoch, sich damit zu beschäftigen. Dies machte Professor Alois Moosmüller von der Ludwig-Maximilians-Universität München in seinem Eröffnungsvortrag deutlich. 'Wir beobachten eine rapide Internationalisierung der Firmen', berichtete er. Vor allem durch länderübergreifende Projektarbeit würden auf die Mitarbeiter neue Herausforderungen zukommen, da durch unterschiedliche kulturgeprägte Verhaltensmuster neue Reibungspunkte auftauchen. 'Für die Mitarbeiter entsteht zusätzlicher Druck und Stress, den die Unternehmen derzeit überhaupt nicht auffangen.' Nun sei es auch an den interkulturellen Trainern, Lösungen für dieses Spannungsfeld zu erarbeiten, so der Ethnologie-Wissenschaftler.
Großes Interesse an Praxistipps
Um die Berufspraxis in den interkulturellen Arbeitsfeldern ging es auch in den mehrstündigen Tracks, auf die sich die Teilnehmer verteilten. An den zwei Tagen standen je vier Themen zur Auswahl, darunter 'Diversität in Organisationen', 'Einwanderungsgesellschaft' und 'Interkulturelle Mediation'.
Auch hier gab es keine allgemein gültigen Antworten - aber dafür viele Berichte aus der Praxis. So erzählte etwa die Mediatorin Sosan Azad, dass sie zum Abschluss einer Vermittlung manchmal auf einen schriftlichen Vertrag verzichte: 'In vielen Kulturen ruft ein Vertrag Misstrauen hervor, weil er als westliches Instrument gesehen wird.' Verbindlicher wirke oft ein Handschlag oder ein gemeinsames Foto der Streithähne. 'Seien Sie offen für die Ideen Ihrer Kunden', warb Azad.
Diese und andere Hinweise wurden von den Teilnehmern begeistert aufgenommen. Und der Erfahrungsaustausch gab wichtige Impulse, wie viele Besucher betonten. In gemeinsamen Reflexionen - so schien es - lag das größte Bedürfnis der Teilnehmer. Denn mit Rezepten kann zu diesem Thema ohnehin niemand dienen.