Hanna Milling beginnt systematisch mit einigen grundsätzlichen kultur- und neurowissenschaftlichen Betrachtungen zu Funktion und Wirkungsweise von Geschichten als Träger von Tradition und Kultur. Viel hängt davon ab, dass eine Geschichte gut erzählt wird. Wie fange ich an? Wie bringe ich die Zuhörer dazu, in meine Geschichte 'einzutauchen'? Welche Sprache ist angemessen? Hier lauern Fallstricke wie Moralisieren, Belehren oder mangelnde Emotion.
Mit Beispielen aus ihrer Praxis demonstriert die Autorin, wie Geschichten zunächst entspannend wirken, dadurch einen Perspektivwechsel ermöglichen und so ein konstruktives Klima gemeinsamer Lösungssuche schaffen können. Eine erkennbar anspruchsvollere Variante des Storytelling ist 'die narrative Lösung von Konfliktgeschichten'. Hier geht es im Kern darum, die realen Konfliktgeschichten der jeweiligen Konfliktparteien nachzuvollziehen, sie zu analysieren und daraus gemeinsam eine alternative Geschichte zu stricken, die eine Lösung des Konflikts möglich macht. Mehr als die Hälfte ihres Buchs hat die Autorin für '101 Geschichten für die Konfliktarbeit' reserviert, sehr unterschiedliche, aber nützliche Erzählungen.
Storytelling – ist das die Rückkehr mythischer Deutungsmuster in die Internetgesellschaft, oder 'eine Maschine, die Geschichten produziert, mit denen die Gehirne formatiert werden' (Christian Salmon)? Ganz abwegig ist Letzteres nicht, bedenkt man, dass Stimmungen befördert, Konflikte gelenkt oder Personen und Ereignisse ins wunschgemäße Licht getaucht werden. Eigentlich geht es immer um eine passende, unterhaltende und spannende Geschichte. Das ist eine Herausforderung, aber dieses Buch zeigt, wie es funktionieren kann.
TA-Fazit: Guter Praxisratgeber für Trainer und Führungskräfte.
Hanna Milling: Storytelling – Konflikte lösen mit Herz und Verstand. 268 S., Wolfgang Metzner Verlag, Frankfurt am Main 2016, 34,95 Euro.
Nach oben