Die Vorstellung, dass sich menschliche Gemeinschaften nach einem allgemeingültigen Schema verändern, ist in den Kulturwissenschaften längst passé. Nicht so bei Manfred della Schiava, Otto Knapp und Andreas Hailand, Autoren des Buches 'Social-Rating'. Sie stützen ihre Methode zur Analyse der sozialen Reife einer Organisaton auf ein angeblich universal gültiges Stufenmodell kultureller Entwicklung.
Demnach entwickeln sich Weltbild, Wertekanon und Sozialverhalten einer Gemeinschaft analog zur Komplexität der Umwelt, wobei die Faustregel gilt: je komplexer die Umwelt, desto höher der soziale Reifegrad. Auf Ebene eins kämpft eine Gruppe um ihre bloße Existenz. Auf Ebene zwei entwickelt sie einen starken Sinn für die Gemeinschaft samt gemeinsamer Rituale. Dieser Zustand geht in einen Kampf um Macht und Status über. Während sich auf Ebene vier absolutistische Strukturen herausbilden, dominiert danach erneut eine starke Wettbewerbsmentalität, bis sich das Blatt in der sechsten Phase wendet, Gleichheit zu einem hohen Wert avanciert und Entscheidungen kooperativ getroffen werden. Auf den Ebenen sieben und acht kommt eine systemische bzw. globale Weltanschauung hinzu - als höchster Grad sozialer Reife notwendig für das Überleben eines Unternehmens in der Wissensgesellschaft.
Auf welcher Ebene sich eine Firma befindet, wollen die Autoren u.a. durch Interviews, und Beobachtungen (z.B. von Meetings) feststellen können, wobei sie neben der Veränderungsbereitschaft v.a. die Art, wie Entscheidungen in der Firma getroffen werden unter die Lupe nehmen. Am Beispiel einer Fusion stellen sie ihre Vorgehensweise dar - allerdings ohne die Methodik näher offen zu legen.
Es ist jedoch fragwürdig, ob sich etwas derart Komplexes wie Unternehmenskultur (dies verstehen die Autoren unter Sozialkompetenz) anhand eines empirisch nicht zu belegenden Modells kategorisieren lässt. Schließlich weiß man z.B. aus der Ethnologie, dass sich - obgleich kulturelle Entwicklung in Interdependenz zur Umwelt stattfindet - unter ähnlichen Bedingungen verschiedene Weltanschauungen und Organisationsformen herausbilden können.
Für noch mehr Befremden sorgt die im Buch aufgegriffene Lehre der 'Memetik'. Demnach sind Ideen, z.B. Managementkonzepte und Informationseinheiten Meme, die in Analogie zu Genen eigenständig nach Replikation streben - und zwar, indem sie wie Viren in menschliche Gehirne eindringen. Ob das Andocken gelingt, hängt von 'Werte-Memen' (vMeme) ab - das sind Grundannahmen, die das Weltbild eines Menschen prägen. Dass jeder Mensch die Welt durch eine kulturelle Brille wahrnimmt, versteht sich jedoch auch ohne Memetik. Fragt sich also, wozu die Autoren das seltsam anmutende Modell überhaupt brauchen, um Unternehmenskultur zu analysieren. Es sei denn, zur Verwirrung des Lesers...
Fazit: Da das von den Autoren vertretene Modell der sozialen Reife allzu spekulativ ist, wirft das Buch mehr Fragen auf, als Antworten zu geben.
Von Manfred della Schiava, Otto Knapp und Andreas Hailand, 220 S., geb., Ueberreuter, Frankfurt/Wien 2002, ISBN 3-8323-0876-8, 32,- Euro.