Er ist rhetorisch perfekt, charmant, imposant, charismatisch, witzig, beherrscht Tricks und Kniffe im Umgang mit kritischen Einwürfen, nutzt mit professioneller Selbstverständlichkeit die modernsten Vortragsmedien, kurzum: Er ist ein brillanter Redner - ... und häufig ein Narzisst. Mit dieser polemischen Behauptung eröffnen die Trainerinnen Anka Commichau und Maud Winkler ihr Handbuch der kommunikationspsychologischen Rhetorik.
Narzissten gibt es so einige unter jenen, die häufig vortragen, führen die Psychologinnen aus. Und schlimmstenfalls schießen diese mit Verve an Ziel und Zuhörer vorbei. 'Das war ja ein toller Redner! Aber worum ging es noch einmal? Und was hat das Ganze mit mir zu tun?' Der Grund für solche Reaktionen: Der narzisstische Redner konzentriert sich einzig und allein auf die Frage 'Wie stehe ich gut da?', anstatt sein Augenmerk darauf zu legen, sein Gegenüber zu erreichen.
Dem narzisstischen Redestil entgegen setzen Commichau und Winkler eine Vortragsmethodik, die sie als 'humanistisch' bezeichnen. Diese setzt den Fokus nicht auf die Person des Redners, sondern auf den Dreiklang von Vortragsthema, Vortragenden und Zuhörerschaft. Damit folgen die Autorinnen in ihrem Ansatz exakt der zentralen Forderung von Ruth Cohns Modell der Themenzentrierten Interaktion. Überhaupt wandeln Commichau und Winkler an vielen Stellen des Buches in den Fußstapfen der bekannten Vertreterin der Humanistischen Psychologie und beziehen sich mitunter explizit auf diese.
Ziel des humanistischen Vortragsstils ist es, einen Dialog mit dem Auditorium aufzubauen, der die eigenen Botschaften transportiert und nachhaltige Lerneffekte auslöst. Um dies zu erreichen muss der Redner laut Lektüre vier Kernkompetenzen mitbringen: Die erste Fertigkeit ist die 'Auftragsorientierung'. Der Redner sollte sich stets bewusst sein, wohin die Reise und über welche Zwischenetappen es geht. Allein mit der Aufstellung einer Zielhierarchie ist es freilich nicht getan, so die Autorinnen. Vielmehr gilt es, die Ziele hinter den Zielen zu hinterfragen, also die Werte, die sie begründen.
Die 'persönliche Präsenz' nennen die Kommunikationsexpertinnen als zweite Kernkompetenz. Sie speist sich aus den eigenen Einstellungen zu den Botschaften. Der Redner muss sich vergegenwärtigen, inwiefern er die Inhalte seines Vortrags für sich selbst nutzbar machen könnte. Denn nur so kann er die Zuhörer wirklich interessieren, meinen die Autorinnen.
Gleichsam unabdingbar um die Zuhörer abzuholen, sei die Kompetenz 'Kontakt'. Sie bezeichnet die Fähigkeit, das monologisch angelegte Szenario des Vortrages dialogisch zu gestalten. Dies kann man trainieren, so Comichau und Winkler - und bieten daher Übungen für den Einsatz von Augenkontakt sowie zur Schärfung der Antenne, um Stimmungen im Auditorium wahrzunehmen.
Praxisnähe steht auch bei der Schilderung der vierten Kernkompetenz, der 'Thematischen Anregung', im Vordergrund. Ausgehend von der lerntheoretischen Prämisse, dass Menschen über die drei Kanäle Kopf, Herz und Hand lernen, schildern sie Methoden und Kniffe, wie Hörer zum Mitmachen oder zur Selbstreflexion angeregt werden können.
Sowohl die Beschreibungen der Übungen als auch das theoretische Futter sind mit leichter, aber präziser Feder verfasst. Anekdoten aus der beruflichen Praxis und dem Leben der Trainerinnen verleihen dem Buch bisweilen eine amüsante Note.
Fazit: Ein Handbuch mit hohem Nutzwert sowohl für sporadische Redner als auch für 'Vollprofis', die zur Selbstreflexion ihres Vortragstiles bereit sind.
Von Anka Commichau und Maud Winkler, 239 S., brosch., Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2005, ISBN 3-499-61944-X, 8,90 Euro.