Die Jungtrainerin weiß weder ein noch aus. Gleich ihren ersten größeren Trainingsauftrag hat sie versiebt, weil sie einem Störenfried im Seminar nicht Einhalt gebieten konnte. Seither stellt sich die Trainerin die Frage, warum ihr die Situation derart entglitten ist - und sucht Rat bei einem Organisationsauf-steller. Fälle dieser Art schildern Klaus-Peter Horn und Regine Brick in ihrer neuen Publikation 'Organisationsaufstellung und systemisches Coaching'.
Führten die Autoren in ihrem Vorläufer-Buch 'Das verborgene Netzwerk der Macht' noch in das systemische Denken und die Prinzipien der Aufstellungsarbeit ein, so setzen sie nun - anhand von Coaching-Protokollen und präzisen, teilweise auch grafisch unterstützten Beschreibungen der Aufstellungsabläufe - nahezu ausschließlich auf Praxisbeispiele. Das liest sich nicht nur spannend, es hilft auch, die immer noch ein wenig vom Flor des Geheimnisvollen umwobene Aufstellungsarbeit zu entmystifizieren. Denn, warum Aufstellungen funktionieren - dafür gibt es bis dato keine hinreichende Erklärung. Auch der Ablauf einer Aufstellung gibt Rätsel auf, geht es doch darum, mit Hilfe menschlicher Stellvertreter oder abstrakter Repräsentationsmittel, ein reales System - sei es ein Personensystem oder eine bestimmte Problemkonstellation - nachzubilden.
Wer z.B. ein berufliches Problem hat, sucht sich aus einer Gruppe von Personen, Repräsentanten für die Menschen aus seinem Umfeld aus und platziert diese so im Raum, dass es seinem inneren Bild der Lage entspricht. Allein die Visualisierung kann helfen, die Situation besser zu verstehen. Wichtig ist zudem, was die Stellvertreter an ihren Standpunkten wahrnehmen und empfinden. Den Aufstellern zufolge entspricht dies den Befindlichkeiten der Personen im realen System.
Wissenschaftlich ist das alles bisher nicht belegt. Dass Aufstellungen in der Praxis aber offenbar funktionieren, demonstrieren die Beispiele aus dem Buch. Die Jungtrainerin z.B. begriff in der Aufstellung, dass der Teilnehmer so unangenehm wurde, weil er sich von ihr ignoriert fühlte. Weitere Beispiele: Ein Firmenchef erkannte, warum sich die Fusion seines Unternehmens mit dem Hauptmitbewerber als so schwierig gestaltet, und ein IT-Unternehmer sah ein, dass sich seine tiefe Abneigung gegenüber der Old Economy kontraproduktiv aufs Geschäft auswirkt.
Die Fälle machen das breite Anwendungsspektrum der Organisationsaufstellung deutlich. Gleichzeitig zeigt die Lektüre, dass Aufstellungen nicht für sich alleine stehen, sondern i.d.R. mit einem umfassenden Coaching-Konzept verzahnt sind. Besonders deutlich wird dies im zweiten Teil, in dem es um Aufstellungsarbeit im Einzelcoaching geht: Gearbeitet wird dabei meist nicht mit menschlichen Stellvertretern, sondern mit abstrakten Repräsentationsmitteln.
Fazit: Eine Art Mitschnitt verschiedener Organisationsaufstellungen: Dicht dran am Geschehen, spannend zu lesen und dabei erhellend.
Klaus P. Horn und Regine Brick, 176 S., geb., Gabal, Offenbach 2003, ISBN 3-89749-292-X, 15,90 Euro.