Ist (Organisations-)Beratung eine unmögliche Dienstleistung? Wie kommt es zur Selbstorganisation und zur Selbstheilung eines Systems? Wie können Auftraggeber dazu gebracht werden, sich als Teil des Problems zu verstehen, obwohl sie dieses eigentlich loswerden wollen? Und welchen Einfluss hat die Fixierung auf den Shareholder-Value auf Unternehmensführung und deren Beratung?
Systemische Organisationsberatung hat mit vielfältigen Widersprüchen und schwierigen Paradoxien zu tun. In seinem Buch 'Organisation und Beratung' gibt Rudolf Wimmer, Professor für Führung und Organisation mit 25-jähriger Beratererfahrung, Einblick in seine Tätigkeit und gleichzeitig in die Entwicklung systemischer Beratung. Einen zentralen Stellenwert sieht der Autor in der Gestaltung von Führung. Glaubte man in der Organisationsentwicklung der 80er Jahre noch, Konflikte im 'herrschaftsfreien Diskurs' lösen und damit das 'hässliche' Machtthema umgehen zu können, werden heute die Machtressourcen höherer Ebenen akzeptiert und bei Bedarf auch eingefordert. Diese Macht ist laut Wimmer nötig, um das Überleben des Systems zu sichern. Sie werde aber nur akzeptiert, wenn sie sich auf funktionale, durch Leistung begründete Autorität stützt. Statusorientierte Führung hingegen verspiele ihren Einfluss bei den Mitarbeitern.
Den Ausführungen des Autors zufolge besteht die Aufgabe der Führungskräfte u.a. darin, geeignete Strukturen für die Selbststeuerung und die Entscheidungsfähigkeit der Organisation zu schaffen. Die Dynamik und Labilität in vielen Unternehmen überfordere jedoch die herkömmliche Hierarchie. So komme heute den in komplexen Organisationen agierenden Teams eine neue, unerlässliche Funktion zu: Die Teams werden nicht nur für Projekte und Querschnittsprozesse eingesetzt, sondern auch als zentrale Führungsform gebraucht - zwecks Vermittlung unterschiedlicher Eigenlogiken von Subsystemen sowie als Ort zielgerichteter Kommunikation. Doch je unsicherer die Zeiten, desto größer ist der Bedarf an heroischen Leitfiguren.
Was bedeutet diese komplexe, unklare 'Gemengelage' für Berater? Ihre wichtigste Aufgabe ist laut Wimmer, eine stabile Beziehung zum Kunden aufzubauen sowie seine Problembeschreibung, seine Personalisierungen und Schuldzuweisungen ernst zu nehmen. Wichtig zudem: das schrittweise Heranführen zu neuen Sichtweisen. Unstrukturierte, angstbeladene Situationen muss der Berater steuern können. Dies geht nicht ohne gründliche Selbsterfahrung und Selbstreflexion. Laut Wimmer liegt darin sowohl die Kunst als auch der Engpass von Beratung.
Fazit: Eine interessante Sammlung früherer Veröffentlichungen Rudolf Wimmers zu systemischer Organisationsentwicklung, die trotz einiger Wiederholungen lesenswert ist.
Von Rudolf Wimmer, 336 S., brosch., Carl Auer Verlag, Heidelberg 2004, ISBN 3-89670-296-3, 34,90 Euro.