Die Kühlanlage fällt aufgrund eines Programmierfehlers aus, eine mit großem Aufwand angekündigte Auslieferung muss abgeblasen werden - der Schaden geht in die Millionen. Ein klarer Fall für den Rechtsanwalt mit mehreren Klagen auf Schadenersatz! Was aber, wenn mit den 'Schuldigen' weiterhin zusammengearbeitet werden soll und die Rechtslage bei nüchterner Betrachtung doch nicht so eindeutig ist? Hilft hier eine Wirtschaftsmediation? Fast wie in einem Roman beschreiben die Autoren Reiner Ponschab und Adrian Schweizer, profilierte Pioniere der Mediation in Deutschland, in ihrem Buch 'Die Streitzeit ist vorbei' einen fiktiven Streitfall zwischen drei Unternehmen.
Die Leser begleiten Herrn Wenger, der zuerst auf dem üblichen Wege versucht, seine Forderungen durchzusetzen. Eine Lösung scheint zunächst nur im Rechtsweg, eventuell über mehrere Instanzen, zu liegen. Erst ein juristisch versierter Mediator kann die Beteiligten schließlich davon überzeugen, dass eine Mediation wesentlich kostengünstiger und erfolgsträchtiger ist als ein Prozess. Das Argument der Autoren zudem: Die Geschäftsbeziehungen können aufrecht erhalten werden. Sehr anschaulich wird dieses Ringen um die Art der Konfliktregelung als 'Krieg um den Frieden' beschrieben.
Nachdem diese Hürde genommen ist, treffen sich die Kontrahenten in entspannter Umgebung und mit ausreichend Zeit, um nach einem Ausweg zu suchen. Jeder stellt seine Position sowie mögliche Lösungen ausführlich dar. Hier wird sozusagen 'Dampf abgelassen', d.h. die mit dem wirtschaftlichen Schaden verbundenen Emotionen werden deutlich. Sobald der Konfliktgegenstand allen klar ist, geht es um eine ehrliche Risikoanalyse. Wichtig dabei: Nur wenn die jeweiligen Parteien erkennen, dass sie einen Prozess nicht hundertprozentig gewinnen können, werden sie sich auf Verhandlungen einlassen.
Die meisten Anwälte, so meinen Ponschab und Schweizer, werden ihre Klienten über die Risiken einer Klage aufklären. Mit der Einsicht in die Gefahren einer 'gnadenlosen Durchsetzung' der eigenen Ansprüche werde es aber möglich, nach den Interessen hinter den unterschiedlichen Positionen zu fragen. Dies ändert die Blickrichtung, und zwar von der Vergangenheit in die Zukunft. Wenn es nicht ausschließlich um Geld geht, lassen sich auch mehrere Wege finden, die unterschiedlichen Interessen zu verwirklichen. Welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den Kontrahenten, was könnten gemeinsame Projekte sein, die allen nutzen? Diese Erweiterung der Wahrnehmung hilft aus dem 'Ein-Weg-Denken' heraus und fordert auf, neue Lösungsmöglichkeiten zu finden. Zudem wird anhand der Lektüre deutlich: Nach der Einigung auf eine Lösung ist es sehr wichtig, die Umsetzung auch mit den Anwesenden schriftlich zu vereinbaren. Sonst werden allzu leicht neue Wege von Bedenkenträgern zunichte gemacht.
Fazit: Eine lebensnahe, leicht lesbare Darstellung von Wirtschaftsmediation, die nicht nur Laien viele Anregungen vermitteln kann.
Von Reiner Ponschab und Adrian Schweizer, 288 S., brosch., Junfermann Verlag, Paderborn 2004, ISBN 3-87387-586-1, 28,- Euro.