Wer sich für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Coaching interessiert, gehört zur Zielgruppe dieses Buches. Hintergrund ist der internationale Coaching-Forschungs-Kongress einer schweizerischen Hochschule. Allerdings gehen die etwa 20 Beiträge über eine Tagungsdokumentation weit hinaus. Die wissenschaftlichen Texte argumentieren aus unterschiedlichen Perspektiven und haben jeweils eine eigenständige Aussage.
Um Coaching als eigene Profession zu etablieren, fordert etwa eine Soziologin, die Coaching-Praxis wissenschaftlich zu fundieren und zu konzentrieren, zum Beispiel an Hochschulen. Dies unterstützt der renommierte Coaching-Experte Siegfried Greif: Der Wirtschaftspsychologe plädiert dafür, in der Ausbildung empirisch überprüfbare Theorien zu vermitteln. Gleichzeitig fordert er, auch die erfahrungsbasierten Theorien der Praxis mit wissenschaftlichen Instrumenten zu evaluieren. Hier schließt er sich der Evidenzdiskussion der Medizin an: 'Wer heilt, hat recht.'
Durch die konzentrierten Artikel gewinnt der Leser einen guten Überblick über die unterschiedlichen Ansätze der aktuellen Coachingforschung von heuristisch über Grounded Theory bis zu Aktionsforschung. Kritisch wird Coaching auch als Kunst verstanden, die neben Wissen und empirischer Evidenz Meisterschaft erfordert – eine Herausforderung für Ausbildung und Entwicklung von Coachs.
Hier setzt der zweite Teil des Buches an, der interessante Fragen der Praxis untersucht. Beispielsweise inwiefern sich Coaching und Psychotherapie ergänzen bzw. voneinander abgrenzen lassen: Eine Studie mit Personalverantwortlichen macht deutlich, dass sehr wenig Wissen vorliegt, wann eine Therapie erforderlich wäre. Die Autoren ziehen daraus den Schluss, in Coachingausbildungen Psychopathologie zu integrieren, um diese Wissenslücke bei den Beratern zu schließen. Interessant sind auch die neuen Ansätze in der Coaching-Praxis. Mit dem Virtuellen Transfer-Coaching etwa lässt sich der Lerntransfer verbessern: Ausführlich und nachvollziehbar beschreiben die Autoren, wie sie ihre Teilnehmer nach einem Training individuell bei der Umsetzung unterstützen, zum Beispiel über ein webbasiertes Tool und Telefoncoachings. Andere Beiträge untersuchen, wie 360-Grad-Feedback im Coaching eingesetzt wird, oder analysieren die Möglichkeiten und Grenzen des Coachings von Erwerbslosen.
Schaubilder und Zusammenfassungen unterstützen die Lesbarkeit der einzelnen Artikel, und jeder Hauptteil wird mit einer Zusammenfassung der Thesen abgeschlossen.
TA-Fazit: Eine weiterführende, aber auch sehr wissenschaftliche Zusammenstellung der aktuellen Diskussion von Forschung und Praxis.
Hubert Kuhn
Robert Wegener, Agnès Fritze und Michael Loebbert (Hrsg.): Coaching entwickeln. 264 S., VS Springer, Wiesbaden 2011, 34,95 Euro