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Rezension: Coaching

Alle reden und schreiben über Coaching. Allein über 300 Titel zum Thema sind lieferbar, viele mit dem Modewort 'systemisch'. Ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem? Das Buch 'Coaching' von Wilhelm Backhausen und Jean-Paul Thommen beweist das Gegenteil. Das Besondere der Lektüre: Beratung von Führungskräften wird gründlich, systematisch, theoretisch anspruchsvoll und dennoch verständlich dargestellt.

Im weiten Feld des systemisch-konstruktivistischen Denkens konzentrieren sich die Autoren auf die radikale Marktorientierung nach Fritz B. Simon in ihrer Sicht von Verhalten und Organisationen. Als Maßstab für individuelles Verhalten wird bei diesem Ansatz der so genannte ökonomische Tauschwert genommen: Individuellem Handeln wird eine verborgene ökonomische Vernunft unterstellt, die sich direkt hinsichtlich Belohnung oder Bestrafung von Verhalten äußert. Indirekt hilft der Denkansatz dabei, zu erkennen, welche Art von Verhalten wahrgenommen und akzeptiert wird.

Die Bedeutung dieser Sichtweise für das Coaching: Es geht nicht nur darum zu reflektieren, welche Wirkungen die zu coachende Führungskraft im Unternehmen mit ihrem Verhalten erzielt. Darüber hinaus muss ihre Positionierung sowohl im realen als auch in dem von dem Coachee subjektiv wahrgenommenen Unternehmen bei der Problembearbeitung einbezogen werden.

Die Autoren betonen mehrmals, dass sachlogisches, nach 'objektiver' Wahrheit suchendes Denken beim Coaching fehl am Platz ist. Wirklichkeit sei die Selektion von Information, das Ziel von Coaching dagegen sei, sich der eigenen Selektionskriterien bewusst zu werden und diese je nach Bedarf zu erweitern. Natürlich bleibt dies keine rein sachliche Angelegenheit. Wahrnehmungsmuster sind eng mit Erfahrungen und entsprechenden Gefühlen verbunden. Die Autoren sehen zwar die Bedeutung von Gefühlen im Coaching, erliegen aber gleichzeitig der bei vielen Systemikern zu beobachtenden Unterbewertung emotionaler und unbewusster Prozesse. Hier wären psycho- und gruppendynamische Konzepte als Ergänzung angebracht.

Neben Leitlinien für die Gestaltung von Auftragsklärung und Coachingstruktur skizzieren die Autoren verschiedene systemische Methoden, z.B. systemische Frageformen, Reframing, Perspektivenwechsel, Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen. Abschließend stellen sie fünf Fallstudien umfassender Coachingprozesse vor. Sie drehen sich um den Übergang eines (Bank-)Familienunternehmens zur Aktiengesellschaft, um die Umstrukturierung/Dezentralisierung der schweizerischen Post, um einen international orientierten Konzern, um die Einführung von Kundenorientierung in einer Rückversicherung sowie um die Umsetzung von Coaching im Volkswagenkonzern.

Fazit: Ein Grundlagenwerk für systemisch orientiertes Coaching, auch zu empfehlen für die Gestaltung von Personalentwicklung.

Von Wilhelm Backhausen und Jean-Paul Thommen, 383 S., geb., Gabler Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-409-12005-X, 39,90 Euro.
Autor(en): (Hubert R. Kuhn)
Quelle: Training aktuell 03/04, März 2004
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