Auf der Bildungsmesse didacta 2005 ist Renate Richter zur neuen Präsidentin des Verbandes European Training and Development Federation (ETDF) gewählt worden. Die Frontfrau des Deutschen Dachverbandes der Weiterbildungsorganisationen (DVWO) vertritt damit dreizehn Verbände aus zehn europäischen Ländern, also insgesamt 120.000 Erwachsenenbildner. Training aktuell befragte sie nach ihren Zielen.
Frau Richter, wie fühlt man sich, wenn man plötzlich 120.000 Erwachsenenbildner vertritt?
Renate Richter: Ganz ehrlich, ich fühle mich gut. Die Delegierten aller europäischen ETDF-Mitgliedsverbände haben mir ihr Vertrauen ausgesprochen. Damit wird auch auf europäischer Ebene mein engagiertes Eintreten für die Profession der Trainer in der Erwachsenenbildung gewürdigt. Weiterbildner, ob in Deutschland oder in Europa, müssen unabhängig von ihren Auftraggebern wieder eine Vorstellung von Wert und Zuständigkeit ihres Berufs erhalten, ein gemeinsames Berufsverständnis entwickeln und eine Eigenständigkeit gegenüber Politik und Sozialpartnern erlangen. Für diese Werte trete ich ein.
Sie überzeugten die europäischen Verbandsdelegierten mit einem Konzept, das u.a. die Strukturierung des europäischen Weiterbildungsmarktes vorsieht. Was muss man sich darunter vorstellen?
R. Richter: Die Arbeit des vorangegangenen ETDF-Präsidiums war stark auf die Zusammenarbeit mit der Cedefop - Europäisches Zentrum zur Förderung der Berufsbildung - ausgerichtet. Diese Arbeit werde ich fortsetzen und dabei den Standpunkt der selbstständigen Weiterbildner vertreten. Im Zuge der europaweiten Harmonisierung im beruflichen Aus- und Weiterbildungsbereich durch Zielvorgaben der EU-Bildungsminister werden nämlich auch die Berufsfelder der Weiterbildner in den Prüf- und Anforderungsprozess der Cedefop einbezogen. Schwerpunkte werden daher Themen wie Aus- und Weiterbildung von Weiterbildnern sowie Kompetenzanforderungen an und Karrierepfade für Weiterbildner sein. Hinzu kommen individuelle Projekte: Der portugiesische Weiterbildnerverband APG etwa denkt derzeit über die Definition ethischer Grundsätze für Weiterbildner nach. Mit dem in Deutschland vom Forum Werteorientierung veröffentlichten 'Berufskodex für die Weiterbildung' liegt bereits eine bewährte Erarbeitung vor, die im ETDF abgestimmt werden kann.
Was werden weitere Schwerpunkte in Zukunft sein?
R. Richter: Auf europäischer Ebene laufen unabhängig vom ETDF Projekte, die einen 'European Master in Adult Education' zum Ziel haben. Dies bedeutet die Akademisierung des Trainerberufes. Allerdings weiß ich aus meiner langjährigen Zusammenarbeit mit Weiterbildnerverbänden und aus Studien, dass der überwiegende Teil der Trainer aus einer dualen oder nichtakademischen Ausbildung kommt und sich das Trainerwissen in Zusatzausbildungen aneignet. Mein Ziel ist es daher, die Forderung nach Durchlässigkeit des Bildungssystems auch für Trainer zu nutzen. Es muss möglich werden, die Traineraus- und -weiterbildung, die z.B. durch die Verbände und deren Ausbildungsinstitute geleistet wird, zumindest in einem nationalen Kontext anzuerkennen. Und es muss möglich werden, den Sprung aus der nichtakademischen in die akademische Ausbildung zu schaffen. Ein variables Credit-Point-System, das im Rahmen einer akademischen Ausbildung auch vorangegangene nichtakademische Ausbildungsstufen anerkennt, wird im DVWO bereits diskutiert.
Stichwort DVWO: Auf der didacta hat der Verband ein Qualitätsmodell für die Trainerausbildung vorgestellt. Soll dieses als Grundlage der Professionalisierungsbestrebungen auf europäischer Ebene dienen?
R. Richter: Das DVWO-Qualitätsmodell ist europatauglich, denn es ist ISO-kompabtibel. Also unterlegt mit einer Norm, die weltweit akzeptiert wird. Allerdings werden wir im DVWO erst einmal zu tun haben, dieses Qualitätsmodell in Deutschland bei den Zielgruppen durchzusetzen: den Trainern und den Aus- und Weiterbildnern von Trainern. Im ETDF werden wir voraussichtlich zunächst eine Übersicht über Weiterbildner-Qualifizierungsmodelle erstellen, diese mit dem DVWO-Qualitätsmodell abgleichen und darauf aufbauend Qualitätsrichtlinien formulieren.