Wie fühlt es sich an, unangenehme Neuerungen zu kommunizieren? Wie schwer fällt es Teams, sich auf ein neues Produktionsverfahren umzustellen? Wie kommt man mit einer Versetzung zurecht? Solche Veränderungsszenarien will ein neuer Change-Workshop für Führungskräfte erlebbar machen – und nebenbei handfestes Change-Know-how vermitteln.
Um eine Standortverlagerung nach Brasilien zu simulieren, muss man nicht unbedingt große Distanzen ins Spiel bringen. Bisweilen reicht es, im Seminar ein paar Teilnehmer an einen anderen Tisch zu befehlen. Die Reaktionen sind ähnlich: 'Muss das sein? Es läuft doch alles gut hier!', 'Warum ich und nicht er?', 'Da drüben ist es aber zu zugig für mein Rheuma!'. Solche Szenen sind Ulrike Wörrle und Roland Schneider, Köln/Berlin, vertraut: Im Rahmen des Change-Planspiels, das die beiden Berater jüngst zusammen mit dem Lohmarer Institut für Weiterbildung (LIW B&T) entwickelt haben, bekommen sie solche Einwände häufig zu hören. Sehr zur Freude der Erfinder – illustrieren sie doch typische Etappen eines Veränderungsprozesses.
Grundidee: Change verstehen durch eigenes Erleben
Schließlich wollen die Planspiel-Entwickler ihren Teilnehmern an zwei bis drei Tagen genau diese Etappen nahe bringen – mit allen Emotionen, Herausforderungen und Stolperfallen, die sie bergen. Statt auf frontale Know-how-Vermittlung setzen sie auf erlebnisorientiertes Lernen: 'Wir wollen ein möglichst echtes Umfeld simulieren, in dem die Teilnehmer besser verstehen lernen, welche Dynamiken bei Veränderungsprozessen entstehen', erklärt Ulrike Wörrle. Im Rahmen des Planspiels werden die teilnehmenden Führungskräfte und Change-Begleiter deshalb ebenso zu Betroffenen wie ihre Mitarbeiter.
Der Ablauf: Basteln für die Change-ErfahrungBevor Veränderung überzeugend inszeniert werden kann, muss zunächst allerdings Normalität geschaffen werden. Also nimmt die Murmel AG ihren täglichen Betrieb auf: den Bau von Murmelbahnen. Dazu werden Teilnehmer in Teams aufgeteilt und in verschiedenen Rollen organisiert: Neben Teamleitern gibt es z.B. auch den Werkleiter, der die Produktion steuert, und den Controller, der darauf achtet, dass keine Ressourcen verschwendet werden. Dann wird gebastelt: Mit Schere und Klebstoff fertigen alle Gruppen nach bestimmten Vorgaben Murmelbahn-Modelle. 'Verstecktes Ziel ist es natürlich, ein Teamgefühl aufzubauen', erläutert Psychologin Wörrle. Durch das konzentrierte Arbeiten wird zudem eine gewisse Routine etabliert. Die währt allerdings nicht lange: Sobald der Betrieb läuft, werden die Teilnehmer, die im Planspiel Leitungspositionen übernommen haben, mit anstehenden Veränderungen konfrontiert – etwa der Notwendigkeit, einen neuen Standort in Brasilien aufzubauen. Nun sind die Führungskräfte gefordert, eine Strategie auszuarbeiten und diese zu kommunizieren: also nicht nur zu entscheiden, wer wohin versetzt wird, sondern auch, wie dies dem Team plausibel gemacht werden kann. Und natürlich müssen sie sich anschließend der Kritik ihrer Kollegen stellen.
Der Nutzen: Spontane Erkenntnisgewinne plus Change-Theorie
Zwischen den Spiel-Modulen sind immer wieder Reflexionsrunden vorgesehen. Dabei verbinden die Seminarleiter eine emotionale Rückschau mit der Vermittlung von theoretischem Wissen zum Veränderungsmanagement. So befragen sie beispielsweise die Teilnehmer, wie sie den Bau der Murmelbahnen erlebt haben, und wie es ihnen erging, als ihr Team auseinandergerissen wurde. 'Wenn wir die Teilnehmer dann bitten, ihre persönliche Befindlichkeit während des Workshops grafisch darzustellen, zeichnet im Prinzip jeder eine klassische Change-Kurve', berichtet Change-Expertin Wörrle – inklusive erstem Schock, anfänglicher Verneinung und langsamer emotionaler Akzeptanz. Die entsprechenden Change-Modelle werden dann zur umfassenden Erklärung nachgeschoben. Das sorgt für Aha-Erlebnisse bei den Teilnehmern. Und führt zu konkreten Verhaltensänderungen, glaubt die Kölner Beraterin: 'Die Teilnehmer denken dann ganz anders darüber nach, wie sie in Change-Projekten mit Betroffenen umgehen.'