Anlässlich ihres zehnten Jubiläums in Berlin warf die Online Educa, die weltweit größte internationale Konferenz für technologisch gestützte Aus- und Weiterbildung, ihren Blick nach vorn. 'Wie sieht Lernen in der Zukuft aus?', lautete eine Frage, auf die verschiedene Referenten mit eigenen Szenarien eine Antwort zu finden versuchten. Training aktuell stellt einige Gedanken vor.
Die Verwunderung stand dem Berliner Taxifahrer deutlich ins Gesicht geschrieben. '1.700 Menschen aus 66 Nationen, die sich für computergestütztes Lernen interessieren...?' Er schüttelte den Kopf, ließ sich jedoch nicht beirren und sammelte weiter internationale Fahrgäste vor dem Hotel InterContinental ein. In der Tat konnte die Online Educa mit ihrem zehnten Jubi-läum Anfang Dezember 2004 in Berlin einen neuen Rekord verbuchen: 200 Teilnehmer mehr als im Vorjahr und eine ausgeweitete Ausstellungsfläche mit Ländergemeinschaftsständen, z.B. von Finnland, Kanada und sogar Australien, ließen die e-Learning-Welt nicht nur im übertragenen Sinne enger zusammenrücken.
Einem Jubiläum entsprechend wurde dann auch der ein oder andere Blick zurückgeworfen. Vor zehn Jahren war die OEB - wie der Kongress von Insidern gern abgekürzt wird - noch eine kleine, vornehmlich akademisch geprägte Veranstaltung. e-Learning hieß damals noch Telelearning. Über den Return on Investment wurde noch nicht geredet. 'Der Begriff und das Konzept ’Learning Objects’ existierten zum Beispiel noch gar nicht', erinnerte sich Gilly Salmon von der University of Leicester, eine der OEB-Pionierinnen, schmunzelnd.
Mr. Metadata forderte die 'Just-right'-Information
Der Erfinder jener kleinen Inhaltspakete, die es erst möglich gemacht haben, Lernen und Arbeiten besser miteinander zu verbinden, blickte indes nicht zurück. Im Gegenteil: Der auch als Mr. Metadata bekannte Wayne Hodgin warf in seinem Plenumsvortrag den Blick nach vorn. 'Me-Learning ist nicht unmöglich!', lautete sinngemäß seine Botschaft. Was der Direktor 'Weltweite Lernstrategien' bei Autodesk damit meinte: Jedes Problem, aber auch jeder Lerner ist anders. Der Wert einer Information oder einer Lerneinheit ist umso größer, je relevanter der Inhalt für den Empfänger ist. Ziel ist Hodgins Ansicht nach daher das 'just-right'-Paket: die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Person zu bringen. Darüber hinaus sieht er die Herausforderung einer globalen Welt darin, vom 'anyone, anytime, anywhere' zu einem 'everyone, everytime, everywhere' zu gelangen. 'Stellen Sie sich vor, jede Person auf der ganzen Welt könnte jeden Tag eine auf sie persönlich zugeschnittene Lernerfahrung machen', schwärmte Mr. Metadata.
Die Zukunft: work-embedded-learning
Hodgins Zukunftsszenario war nicht das einzige auf der Konferenz. Auch Nancy DeViney, General Manager von IBM Learning Solutions, zeichnete ihre Vision, bei der ebenfalls das informelle Lernen fernab von starren Konzepten im Zentrum steht. 'Wir stehen unter enormem Zeitdruck und haben dauernd Wissenslücken zu stopfen', beschrieb die Amerikanerin den heutigen Alltag. Lernen müsse daher nahtlos in den Arbeitsablauf integriert sein und schnell Probleme lösen. Sie nutzte dafür den Begriff 'work-embedded-learning'. 'Am Ende wird es ein System geben, das automatisch erkennt, woran wir gerade arbeiten, und das uns mit den passenden Ressourcen versorgt', malte sie ihre Idee vom Lernen in der Zukunft aus.
Dass die Technologie noch nicht am Ende ist, was das Zusammenwachsen von Arbeiten und Lernen betrifft, zeigte indes Stephanie Downs von ConferZone, Denver. Die Amerikanerin gab in einem inspirierenden Vortrag Einblick in e-Conferencing-Tools der Zukunft. Da gab es dann Konferenzen vor Publikum mit virtuellen Teilnehmern, lebensgroße in 3D teleportierte Sprecher und Mediziner, die ausgestattet mit virtuellen Handschuhen Ferndiagnosen stellen.
Dass Szenarien wie diese weniger spinnert sind, als sie sich anhören, belegte eindrucksvoll Downs nachfolgende Sprecherin Beate Bruns, time4you, Karlsruhe. In ihrem Vortrag zeigte sie u.a. an ScienceFiction-Filmen und -Büchern, wie nahe wir der einst als Utopien begriffenen Welten aus Star Trek etc. gekommen sind. Captain Kirks Kommunikator ist heute mit dem Handy vergleichbar, mit Sprachkommandos Computer zu steuern, ist uns heute u.a. durch Navigationssysteme im Auto bekannt, und die großflächigen Anzeigentafeln in der Steuerzentrale des Raumschiffs Enterprise sind heute als LCD-Monitore und Plasma-Fernseher realisiert. 'Die Technologie ist der Treiber der Innovation', resümierte Bruns.
Ähnlich argumentierte Richard Straub mit Bezug auf das Lernen: 'Lernen wurde früher nicht gut verstanden. Erst die Technologie hat uns gezwungen, Lernen zu verstehen. Erst durch die Technologie ist informelles Lernen möglich geworden.' Der Direktor IBM Learning Solutions EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) spielte damit z.B. auf die einst nicht verstandene Verquickung von e-Learning und Wissensmanagement an, zwei Disziplinen, die heute untrennbar miteinander verbunden sind. Als Beispiel nannte er die Nutzung von Suchmaschinen wie Google oder von Internetdiensten wie Instant Messaging, die heute als Info- und Wissensquellen wie selbstverständlich in den Arbeitsalltag integriert sind. 'e-Learning wird heute nicht realisiert, wie es einst konzipiert wurde', resümierte der IBM e-Learning-Verantwortliche für Bildungseinrichtungen auf einer Pressekonferenz am Rande der OEB. Egal, möchte man meinen. Hauptsache, es passiert. Und das tut es - wie die rege Teilnahme an der Konferenz zeigte.