Mental-Wellness statt Körpermassagen: Das ist die Ausrichtung des neuen und in Deutschland bislang einzigen Coachinghotels in Kell am See. Im Zentum der Einrichtung, in der überlastete Businessleute wieder ins Lot kommen sollen, steht unter anderem eine spezielle (Selbst-)Coachingtechnik: die Neuroimagination. 'Diese Methode eignet sich vor allem für gestresste Manager, die in schwierigen Situationen blockiert sind oder die Kontrolle verlieren', sagt Horst Kraemer, der mit einem interdisziplinären Team die Neuroimagination entwickelt hat und im Seehotel zur Anwendung bringt. Auslöser für die wenig hilfreichen Reaktionen sind oft verdrängte Erlebnisse, die negative Emotionen wecken. Diese werden im Coachinghotel indes nicht psychoanalytisch unter die Lupe genommen. Denn, so Kraemer: 'Die Menschen, die zu uns kommen, möchten keine langwierige Therapie machen, sondern schnell wieder leistungsfähig werden.' Sie bräuchten eine praktikable Technik, mit der sie stressbedingte Blockaden lösen und wieder einen freien Kopf bekommen können.
Entspannung mit wissenschaftlichem HintergrundBei der Neuroimagination geschieht dies auf der Grundlage von Ergebnissen aus der Hirnforschung ('Neuro') in Kombination mit einer Bilderreise ('Imagination'). Wie andere Mentaltechniken setzt die Neuroimagination also auf innere Bilder – aber auch auf Atemübungen. Das Besondere: Diese beiden Komponenten werden ergänzt durch Rechts-Links-Bewegungen des Coachees. Das Zusammenspiel von Atemübungen und Rechts-Links-Stimulation löst laut Kraemer neurobiologische Stressreaktionen im Gehirn auf: 'Durch die Übung wird das limbische System als Zentrum der Verarbeitung von Emotionen stimuliert. Der Stoffwechsel im Gehirn beschleunigt sich und das Stresshormon Adrenalin wird schneller abgebaut, so dass der Mensch seine Balance wiedererlangt.' In diesem entspannten Zustand erfolgt eine Bilderreise mit Erfolgsstationen im Leben des Coachees, die positive körperliche Reaktionen, also Wohlbefinden, auslöst.
Fingerübungen für den StressabbauDer Manager erlernt also eine Technik, die es ihm ermöglicht, sich vor stressauslösenden Situationen zu beruhigen und negative Emotionen auszuschalten. Ein Abteilungsleiter etwa, der bei Zwischenfragen zu seiner Präsentation vor Stress nicht mehr die richtigen Worte findet, könnte wie folgt vorgehen: Kurz vor Beginn der Sitzung, in der er die wirtschaftlichen Ergebnisse des vergangenen Halbjahres vorstellen soll, schließt er die Augen und beginnt ganz ruhig ein- und auszuatmen. Gleichzeitig startet er seine Rechts-Links-Stimulation: Abwechselnd mit der rechten und linken Hand schnippt er lautlos mit den Fingern, tippt auf die Schreibtischunterlage oder führt Daumen und Zeigefinger zu einem Ring zusammen. Möglich sind auch Augenbewegungen oder Klangstimmen, also ein 'Ah' in die eine Richtung gesprochen und ein 'Oh' in die andere. Diese Bewegung behält der Manager während der gesamten Dauer der Übung bei. Gleichzeitig macht er eine Bilderreise in die Zukunft und stellt sich z.B. vor, sein oberster Chef würde ihm für seine guten Zahlen auf die Schulter klopfen. Entscheidend ist, dass er beim Gedanken daran eine wohlige 'Gänsehaut' bekommt – das Gefühl also körperlich empfindet. Derart gestärkt, hat er seine innere Ruhe wiedergefunden und kann auch Zwischenfragen gelassen entgegensehen.
Einsatz auch bei Traumata'Wir setzen die Neuroimagination zu 70 Prozent im Businessbereich ein', so Horst Kraemer. 'Sie hat sich aber auch in der Therapie von Patienten mit Traumata, etwa nach Verkehrsunfällen, bewährt.' In diesen schweren Fällen arbeiten erfahrene Therapeuten mit den Patienen. Derzeit läuft an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich eine wissenschaftliche Studie zur Wirksamkeit der Neuroimagination bei Patienten mit chronifiziertem Schleudertrauma. Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Methode tatsächlich positiv auswirkt (geringere Medikamenteneinnahme, weniger Zusatzbehandlungen etc.).