Coach, Coachee, PE`ler, Vorgesetzter – sie alle sind am Coachingprozess beteiligt. Nur: Wie sind im Prozess idealerweise die Verantwortlichkeiten verteilt? Aufschluss geben Forscher der Uni Augsburg mit ihrer 'Rollen-Verantwortungs-Matrix'.
Inwiefern bestehen bei Coachingprozessen in Unternehmen, an denen mehrere Stakeholder beteiligt sind, Verantwortungsunklarheiten oder Konflikte? Diese Frage trieb das Augsburger Beratungsunternehmen hauserconsulting so sehr um, dass das Unternehmen sie 2008 an die Uni Augsburg herantrug. Das dortige 'ZWW-Zentrum für Weiterbildung und Wissenstransfer' nahm die Frage zum Anlass für ein Forschungsprojekt, im Zuge dessen die Verantwortlichkeiten im Coachingprozess systematisch aufgeschlüsselt und in einer Matrix dargestellt worden sind.
Forschungsdesign: Qualitative Interviews mit 13 Coaching-Experten
Unter Regie von Sebastian Schlömer, Programmleiter des MBA-Studiengangs 'Systemische OE und Beratung', wurden von Mai bis Juli 2008 sechs PE´ler und sieben Coachs in qualitativen Interviews zu Aspekten befragt wie: Wie würden Sie die Rollen der am Coachingprozess Beteiligten beschreiben? Wie sollte der Prozess optimalerweise verlaufen? Was war bei Ihnen ein erfolgreiches Coaching-Beispiel? 'Die Antworten wollten wir nicht einfach nur auflisten, sondern daraus eine Struktur herstellen, die einen Mehrwert bringt', informiert Schlömer. So entstand in Workshops und Diplomarbeiten mit der 'Rollen-Verantwortungs-Matrix' eine Art Architektur für den Coachingprozess.
Die Matrix zeigt: Wer muss wem gegenüber was genau tun?Die Matrix unterteilt den Coachingprozess in fünf Phasen:
1. die Vorbereitungsphase, die u.a. der Erhebung des Entwicklungsbedarfs dient,
2. die Anbahnungsphase, in die z.B. die Auswahl des Coachs fällt,
3. die operative Phase mit den Coaching-Sitzungen,
4. die Schlussphase, in der es z.B. um Feedback geht, und
5. die Nachbereitungsphase, in der u.a. die Evaluation erfolgt.
Für jede Phase beschreibt die Matrix die verschiedenen Rollen, in denen die Beteiligten agieren, und benennt dezidiert, wer wem gegenüber welche Leistung erbringen sollte bzw. was mit wem zu klären ist. Darüber hinaus zeigt sie, wo kritische Punkte liegen, die Missverständnisse und Konflikte hervorrufen können.
Ein kleiner Matrix-Ausschnitt illustriert den Nutzen
Ein Beispiel: In Phase 2 ist der Vorgesetzte u.a. in der Rolle des Auftraggebers, der Coachee sollte kooperativer Gesprächspartner sein, der Coach fungiert u.a. als Informationsmanager, und die PE ist u.a. Anwalt der Neutralität. Ihre Aufgabe gegenüber dem Coachee ist z.B., diesem einen neutralen Coach zu garantieren. Konfliktpotenzial gibt es, wenn der Vorgesetzte selbst den Coach auswählen darf. Dann steht die PE in der Verantwortung, eine Verbrüderung zwischen Coach und Vorgesetztem zu verhindern.
Größter Konfliktherd: Schlechtes Infomanagement
Die meisten Unstimmigkeiten und Konflikte haben jedoch laut Schlömer einen einzigen Grund: unzureichende Absprachen. 'Wie steht es z.B. mit der Diskretion im Coaching? Was darf der Coach nach außen geben, was nicht? Hierüber müssen sich die Beteiligten zuvor abstimmen', gibt Schlömer ein Beispiel. Ebenfalls essenziell, so brachte das Forschungsprojekt zu Tage, ist es, dass Coach und PE den Vorgesetzten und Coachee besser über Coaching aufklären. 'Coach und PE kennen ihre Verantwortlichkeiten in der Regel', resümiert Schlömer, 'doch bei Vorgesetztem und Coachee bestehen oft falsche Vorstellungen'. Entsprechend sei die Matrix vor allem als Hilfstool für Letztere gedacht.
Best-Practice-Fälle gesucht
Um die Matrix auszubauen und Strategien für den Umgang mit den aufgetanen Konfliktpunkten zu ermitteln, will das ZWW nun Best-Practices von Coachingprozessen untersuchen. Potenzielle Untersuchungskandidaten sowie an der Matrix Interessierte können sich ans ZWW wenden.