Rezension: Die Kraft der Präsenz

Die gesellschaftliche und technologische Entwicklung stellt hierarchie- und autoritätsbasierte Interaktion im sozialen wie beruflichen Umfeld zunehmend infrage. Mit ihrem Konzept „Systemische Autorität“ erweitern Martin Lemme und Bruno Körner die von Haim Omer und Arist von Schlippe entwickelte „Neue Autorität“ inhaltlich und schneiden sie zudem auf die Beratung größerer Gruppen zu.

Das Konzept richtet sich an den menschlichen Kernbedürfnissen Sicherheit, Verbundenheit und Autonomie aus, und seine systemische Perspektive fokussiert die Wahrnehmung der Umgebung und die Beziehungen zu Mitmenschen. Unter diesen Prämissen entwickelt das Autorenduo sein „Prozessdynamisches Modell der Präsenz“ (PDM), anhand dessen die beratende Person ihr Handeln reflektieren und steuern kann. Eine Schlüsselrolle in diesem Ansatz nimmt Sprache ein, hier verstanden als komplexes, durch gesprochenes Wort, Körpersprache und reflektierende Haltung bestimmtes Medium der Kommunikation mit der Umwelt.

Für die Praxis des Coachings erhalten die Leserinnen und Leser einen umfänglichen Leitfaden anhand von Fragen wie: „Wer oder was braucht Schutz? Wer oder was eskaliert? Was genau ist das Problem? Welche Bedürfnisse werden sichtbar? Wie wirkt sich das auf meine Präsenz aus? Welche Interventionen sind erforderlich? Was ist der nächste Schritt?“ Die Übertragung des PDM auf Organisationen oder größere Gruppen beschließt das Konzept.

Lemme und Körner präsentieren in ihrem Buch eine überzeugende Weiterentwicklung der Neuen Autorität zu ihrem Konzept der Systemischen Autorität. Dabei verbinden die Autoren in geglückter Weise fundierte Theorie mit hilfreichen Praxisbeispielen.

TA-Fazit: Das im Buch beschriebene Konzept ist sehr empfehlenswert für Coaching und Beratung unter schwierigen Bedingungen.

Martin Lemme, Bruno Körner: Die Kraft der Präsenz, 328 Seiten, Carl-Auer 2022, 39,95 Euro.