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Interview mit Johannes Jakob, DGB-Arbeitsmarktexperte: 'Weiterbildungsinstitute werden zum Mittelmaß gezwungen'

Die Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit zählt zu den erfolgreichen Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Zu diesem Ergebnis kommt der Zwischenbericht der Bundesregierung, der die Wirkung der Gesetze Hartz I-III untersucht. Allerdings zeigt die Untersuchung auch: Die Chancen auf eine Weiterbildungsmaßnahme sind ungleich verteilt, und die Qualitätsprüfung der Anbieter hat gravierende Mängel. Training aktuell sprach mit DGB-Arbeitsmarktexperte Johannes Jakob über die Forderungen an die Politik.

Wie bewerten Sie die Untersuchung der Bundesregierung zu den Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik?

Johannes Jakob: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist mit den Analyseergebnissen nicht zufrieden, denn wesentliche Fragen wurden nicht beantwortet. Bislang ist beispielsweise noch unklar, ob der Existenzgründungszuschuss, die Einführung der Mini-Jobs und die Förderung der Leiharbeit dahingehend erfolgreich waren, dass zusätzliche Arbeitsverhältnisse entstanden sind.

Gibt es eine Maßnahme, die den Nachweis über ihren Erfolg gebracht hat?

Jakob: Ja, es zeigt sich, dass Förderung der beruflichen Bildung als Mittel der Arbeitsmarktpolitik wirkungsvoll ist. Sie ist den anderen Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik sogar überlegen, so eine Aussage der Untersuchung.

Was bedeutet das in der Praxis?

Jakob: Die berufliche Bildung wurde durch die Arbeitsmarktreform deutlich individualisiert. Dadurch konnten viel mehr Menschen nach ihren Stärken weiterqualifiziert und anschließend vermittelt werden. Das ist ein Erfolg.

Nur Positiv-Meldungen über die Weiterbildung?

Jakob: Nein, nein. Bei der Qualitätssicherung der von der Bundesagentur für Arbeit (BA) geförderten Weiterbildungsmaßnahmen gibt es beispielsweise noch großen Handlungsbedarf, wie die Berichtsergebnisse zeigen. Derzeit gibt es nur eine Eingangszertifizierung der Weiterbildungsanbieter, vorgenommen durch die so genannten Fachkundigen Stellen. Wer die regelmäßige Überprüfung der Institute übernimmt, darüber wird noch gestritten. Im Moment macht es keiner ausreichend.

Warum ist diese Kontrolle so wichtig? Hat sich die Qualität der Angebote durch die Hartz-Gesetze geändert?

Jakob: Viele Anbieter sind zu mittelmäßigen Angeboten gezwungen, weil der Preisdruck enorm gestiegen ist. Das liegt daran, dass die BA Maßnahmen wie Berufsvorbereitungskurse überwiegend nach finanziellen statt nach qualitativen Gesichtspunkten vergibt. Wir hingegen fordern: Teurere Angebote müssen möglich sein, wenn die anschließende Integration der Absolventen in den Arbeitsmarkt höher ist. Das zweite Problem: Die Anbieter für solche Maßnahmen werden nicht mehr langfristig von der BA beauftragt. Die Institute haben dadurch keine Planungssicherheit mehr. Auch hier denken wir: Gute Weiterbildner müssen in die Zukunft denken können, um gute Angebote machen zu können.

Welche Forderungen an die Politik ergeben sich aus den Studienergebnissen?

Jakob: Die Studie hat gezeigt, dass die Chancen auf eine geförderte Weiterbildung sehr ungleich verteilt sind. Der Anteil der über 55-Jährigen hat sich beispielsweise von 2000 bis 2005 von 1,6 Prozent auf nur noch 0,5 Prozent der Teilnehmer reduziert. Wir meinen aber, dass die Förderung durch berufliche Bildung allen Arbeitslosen zusteht und die Zuteilung der staatlichen Mittel die Bestenauslese nicht weiter forcieren darf. Das kann nicht im Sinne des Sozialstaates sein.

Muss berufliche Bildung neu bewertet werden?

Jakob: Ja, eindeutig. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Investition wie Schulen oder Hochschulen. Wir plädieren auch dafür, frühzeitig in die berufliche Bildung zu investieren, nicht erst im Falle einer Arbeitslosigkeit. Damit kann der Staat Ältere vor Arbeitslosigkeit schützen und einem Fachkräftemangel vorbeugen, wenn die Konjunktur anzieht.
Autor(en): (com)
Quelle: Training aktuell 05/06, Mai 2006
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