Die C.R. Poensgen-Stiftung ist einer der ältesten Anbieter von General-Management-Seminaren in Deutschland. Im Rahmen ihres Jahrestreffens am 7. Juni 2006 feiert sie ihr 50-jähriges Jubiläum. Training aktuell hat dies zum Anlass genommen, um mit dem Geschäftsführer der Poensgen-Stiftung, Dr. Hans Böhm, über Führung gestern und heute zu sprechen.
Herr Dr. Böhm, 50 Jahre sind eine lange Zeit. Was unterscheidet die Führungskraft von 1956 von der von heute?
Dr. Hans Böhm: Ich habe 1956 gut in Erinnerung. Damals war ich zehn Jahre alt und hatte einen Freund, dessen Vater eine Kartonagen-Fabrik besaß. Was ich dort über Führung mitbekommen habe, war, dass die Führungskräfte - der Prokurist und der Chef - ihre Mitarbeiter immer angeschrien haben. Alle Mitarbeiter hatten Angst vor denen. Und das ist typisch für die damalige Zeit: Die 50er Jahre waren stark geprägt durch ein autoritäres Führungsverständnis und -verhalten. Nicht nur, aber auch unter dem Einfluss der 68er-Generation hat sich das Verständnis von guter Führung dann völlig verändert. Heute haben wir sogar oft die Situation, dass Führungskräfte nicht mehr alleine Entscheidungen treffen wollen, weil sie sagen: 'Ich möchte die Menschen viel stärker mit einbeziehen!' Führungskräfte heute müssen aber auch anders führen. Denn das Qualifikationsniveau und das Selbstbewusstsein der Menschen haben sich im Laufe der Jahre gewaltig erhöht. Befehl und Gehorsam funktionieren nicht mehr. Vielmehr sind Führungsinstrumente und -methoden erforderlich, die auf Zusammenarbeit und auf Verantwortlichkeiten setzen.
Welche Führungsqualitäten im Einzelnen sind heute gefragt?
Böhm: Es gibt vier Führungskompetenzen, von denen ich glaube, dass sie heute ganz besonders wichtig sind: Erstens müssen Führungskräfte Aufmerksamkeit und Achtung bei ihren Mitarbeitern sowie deren Aufgeschlossenheit erreichen. Und zwar, indem sie ihnen eine Vision geben. Sie müssen den Mitarbeitern transparent machen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll. Die zweite wichtige Führungskompetenz lautet 'Sinnvermittlung durch Kommunikation'. Den Mitarbeitern muss die Chance gegeben werden, ihre Fähigkeiten, Potenziale und Kompetenzen zu entfalten. Führungskräfte müssen dies fördern und unterstützen sowie kommunikativ vermitteln. Drittens muss eine Führungskraft Vertrauen erwerben - durch Glaubwürdigkeit. Wenn ich Menschen belüge oder ständig taktiere, dann darf ich nicht erwarten, dass sie mir vertrauen. Führungskräfte müssen die Wahrheit sagen nach bestem Wissen und Gewissen. Und wenn es etwas gibt, worüber sie nicht sprechen dürfen, dann sollten sie auch das sagen, bevor sie etwas Falsches mitteilen. Zu guter Letzt müssen Führungskräfte ständig weiter lernen, ihre eigene Persönlichkeit entfalten und entwickeln.
Was sind die derzeit größten Herausforderungen der Führungskräfte-Weiterbildung?
Böhm: Was im Moment von uns ökonomisch gefordert wird - und das lösen wir zunehmend auch ein -, ist, dass wir die Erfolgsbeiträge bzw. die Wertschöpfung von Weiterbildungsmaßnahmen deutlich machen. Die Unternehmen schicken ihre Leute nicht mehr einfach auf ein Seminar, weil das schön ist. Sie wollen genau wissen, was das Training bringt. Wir müssen also argumentieren können, was der konkrete Nutzen ist. Häufig werden auch bereits am Anfang die Ziele festgelegt. Eine große Herausforderung ganz anderer Art ist, dass wir eine gute Kombination brauchen von Präsenzlernen, von Lernen mit und von anderen und von elektronisch gestütztem Lernen. Die Führungskräfte sollen unabhängig von Zeit und Ort ins Internet gehen können, um dort zu lernen. Darüber hinaus muss in der Führungskräfte-Weiterbildung künftig noch mehr gezeigt werden, welche Wirkungen Ethik und Kultur bzw. der Verlust von Ethik und Kultur haben. Dazu gehört auch das Thema Vertrauen, das ich angesprochen habe. Es gilt, sehr deutlich zu machen, dass man in Seminaren zum Thema Ethik und Werte nicht Schönwetter-Inhalte predigt, sondern etwas Essenzielles an Managementkompetenz vermittelt. Denn nicht zuletzt die Unternehmensskandale der vergangenen Jahre zeigen, dass ein Verlust von Vertrauen und von Werten, von Ethik und Kultur teilweise massive wirtschaftliche Folgen hat.