Katastrophale Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne: Unter diesen Bedingungen arbeiten Dozenten in der öffentlich geförderten Weiterbildung, meint die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ein 'Schwarzbuch Weiterbildung' soll auf die Missstände aufmerksam machen, erklärt Vorstandsmitglied Dr. Stephanie Odenwald.
Im September 2010 soll das 'Schwarzbuch Weiterbildung' der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erscheinen. Was erhoffen Sie sich von diesem Buch?Dr. Stephanie Odenwald: Ein Schwarzbuch hat immer den Zweck, skandalöse Zustände öffentlich zu machen. In der Weiterbildung ist es dafür höchste Zeit: In Sonntagsreden wird proklamiert, wie wichtig die Arbeit der Weiterbildner sei, aber in Wahrheit arbeiten viele unter unwürdigen Bedingungen.
Wie sehen diese Bedingungen aus? Odenwald: Rund 150.000 Honorarlehrkräfte leben am Rand des Existenzminimums. Viele schaffen es nicht, in die Sozial- und Rentenversicherung einzuzahlen. Auch Planungssicherheit haben die wenigsten: Fast alle haben befristete Verträge, die meisten haben mehrere Jobs gleichzeitig.
Neu ist diese Situation aber nicht, oder?Odenwald: Nein, viele Probleme bestehen bereits, seitdem die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Vergabepraxis geändert hat. Weil Träger seitdem vor allem günstig anbieten müssen, sind die Honorare des Lehrpersonals enorm unter Druck.
Warum dann jetzt ein Schwarzbuch Weiterbildung?Odenwald: Wir haben lange für einen Mindestlohn gekämpft, der unserer Meinung nach viele Probleme gelöst hätte. Aber derzeit ist es immer noch nicht sicher, dass die Bundesregierung den Mindestlohn für allgemeinverbindlich erklärt. Unsere Befürchtung: Der Mindestlohn erfährt ein stilles Begräbnis dritter Klasse – deshalb wollen wir auf anderem Wege für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.
Welche Inhalte sind vom Schwarzbuch Weiterbildung zu erwarten?Odenwald: Im wesentlichen stützen wir uns auf eine Studie von Prof. Dr. Rolf Dobichat, die im Dezember 2009 erschienen ist. Der Bildungsforscher hat die prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung untersucht. Aus seiner Arbeit leiten wir politische Forderungen ab.
Ihre Prognose: Wie werden sich die Arbeitsbedingungen in der öffentlich geförderten Weiterbildung verändern?Odenwald: Die derzeitige Diskussion um Einsparungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik verheißt nichts Gutes. Ich bin selbst im Verwaltungsrat der BA und kann sagen: Wenn die Mittel weiter gekürzt werden, sind etwa präventive Qualifizierungsmaßnahmen zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit kaum mehr möglich. Dann werden Stellen in der Weiterbildung wegfallen. Auch die Kommunen und Länder sparen und kürzen etwa ihre Zuwendungen für die Volkshochschulen. Wenn kein klares politisches Signal kommt, werden die Arbeitsbedingungen in der öffentlich geförderten Weiterbildung noch schlechter, fürchte ich.