Zu Coaching wurde schon viel veröffentlicht: Methoden, Handlungsanleitungen und Fallberichte scheinen alles abzudecken. Martina Schmidt-Tanger, profilierte NLP-Trainerin und Coach, hat dennoch mit ihrem Buch 'Gekonnt coachen' etwas Neues hinzugefügt. In der Lektüre beschreibt sie den Ansatz 'Neuroduales Coaching' und beruft sich wesentlich auf die neurobiologische Forschung von Joseph LeDoux zur Funktionsweise des Gehirns.
Laut LeDoux lassen sich strukturelle Umbauprozesse im Gehirn erst dann nachweisen, wenn eine optimale Mischung von Sicherheit und Herausforderung gegeben ist. Wie schwer tief sitzende Verhaltensmuster, die quasi zum Charakter einer Person gehören, zu verändern sind, weiß jeder Trainer und Berater. Auch ist die Erkenntnis, dass Veränderung Sicherheit und Herausforderung braucht, aus der Therapieforschung hinlänglich bekannt. Sie lässt sich neurobiologisch aber noch glaubwürdiger begründen.
Für die Umsetzung im Coaching heißt das laut Schmidt-Tanger: Mit größtmöglicher Klarheit und den passenden Instrumenten muss Sicherheit und Vertrauen gefördert werden. Die Autorin bietet hierzu brauchbare NLP-typische Checklisten für Kontaktgespräch und Auftragsklärung an. Zudem diskutiert sie Stolperfallen im Coaching wie geheime Wünsche oder verdeckte Motive des Auftraggebers. Insbesondere unangenehme Führungsaufgaben werden oft auf den Coach abgewälzt. Schmidt-Tanger erläutert, wie man mit solchen subtilen Fallen umgehen kann, und macht deutlich: Es muss sichergestellt sein, dass das Anliegen des Coachees an erster Stelle steht und nicht durch Anliegen Dritter, wie etwa dem Auftraggeber, oder durch thematische bzw. persönliche Projektionen des Beraters dominiert wird.
Relevant sind die Erkenntnisse der Hirnforschung nach Ansicht der Autorin auch für die Steuerung der 'Betriebstemperatur'. Die Veränderungswahrscheinlichkeit sei dann am größten, wenn die Erregung ein mittleres Niveau hat. Bei zu geringer emotionaler Beteiligung blieben Gespräche meist ohne weitere Relevanz, eine zu starke Emotionalisierung dagegen führe zur Regression auf frühe Schutzmechanismen. Die gekonnte Steuerung der Betriebstemperatur verlangt laut Schmidt-Tanger eine ausgeprägte Selbst- und Fremdwahrnehmung des Coaches. Via Selbsterfahrung in Gruppen, Einzel- und Gruppencoachings könne diese trainiert werden.
Als Ergänzung zu den vertrauenschaffenden Methoden geht die Autorin u.a. auch auf die provokative Therapie von Frank Farelli ein. Die hohe Kunst der konstruktiven Provokation ist sicherlich nicht aus einem Buch zu erlernen. Allerdings wird nachvollziehbar, auf welcher Basis und nach welchen Prinzipien die Arbeit mit Provokationen entwickelt werden kann. Zentral dafür sind die liebevolle Grundhaltung dem Coachee gegenüber, persönlicher Mut, Standhaftigkeit, innerliche und materielle Unabhängigkeit.
Fazit: Ein hervorragendes Coaching-Buch, das neuen und erfahrenen Beratern unterschiedlicher methodischer Ausrichtung nützen kann.
Von Martina Schmidt-Tanger, 173 S., brosch., Junfermann Verlag, Paderborn 2004, ISBN
3-87387-588-8, 18,- Euro.