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Führt die Finanzkrise zur Weiterbildungskrise?

Seit Wochen beherrscht die Finanzkrise die öffentliche Diskussion. Von den Banken und Börsen kommen Hiobsbotschaften; bei Automobilwerken stehen bereits die Bänder still. Doch welche Auswirkung werden Finanzkrise und Rezession auf die Weiterbildungsbranche haben? Training aktuell hat sich bei Anbietern, Verbänden und Marktforschern umgehört.

'Für Unternehmen gibt es nur zwei Kostenfaktoren, die sie kurzfristig beeinflussen können: Werbung und Weiterbildung. Bei Firmen, die durch Rezession und Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind, ist es deshalb sehr wahrscheinlich, dass sie an der Weiterbildung sparen. Aber selbst wenn die Nachfrage leicht zurückgehen sollte: Eine Krise wie nach 2001 wird es nicht geben. Die Unternehmen haben aus der Vergangenheit gelernt und wissen jetzt, wie wichtig strategische Personalentwicklung ist. Kernkompetenzen werden deshalb weiterhin geschult – es kann allerdings sein, dass Trainings zeitlich verschoben werden.'
Dr. Heinz Streicher ist Principal beim Markt- und Meinungsforschungsinstitut Lünendonk, Kaufbeuren. Er verantwortet eine jährlich erscheinende Studie, die Struktur, Volumen und Entwicklungen des Weiterbildungsmarktes erfasst.

'In der Krise haben sich neue Fragestellungen ergeben und diese führen zu neuem Schulungsbedarf. Wir rechnen beispielsweise mit großem Interesse an den Themen Risikomanagement, Regulierung und Ethik. Zu einer Verschiebung wird es auch bei den Auftraggebern kommen: Banken, die starke finanzielle Einbußen hatten, werden an der Weiterbildung ihrer Angestellten sparen. Dafür werden in Zeiten des angespannten Arbeitsmarktes mehr Arbeitnehmer in ihre Employability investieren und Kurse buchen. Wir hoffen, dass sich diese Effekte ausgleichen, und rechnen für 2009 nicht mit einem Umsatzrückgang.'
Ingolf Jungmann ist Vizepräsident und Geschäftsführer der Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt/Main.

'Von einem Umsatzrückgang gehen wir im ersten Halbjahr 2009 nicht aus. Aber wir sind uns sicher, dass sich das Nachfrageverhalten ändert. Inhalte, die als nice-to-have gelten, werden seltener gebucht. Wir erwarten ein großes Interesse an Themen, die messbar zum Unternehmenserfolg beitragen. Firmen werden ohnehin noch stärker danach fragen, was ihnen eine Trainingsmaßnahme wirtschaftlich bringt. Evaluation, Bildungscontrolling und Transfersicherung werden deshalb im kommenden Jahr die drei wichtigsten Schlagworte sein.'
Wolfgang Rosenkranz, Vorstand des Weiterbildungsanbieters Team Connex AG, Altdorf.

'Man muss mit einem Rückgang betrieblicher Weiterbildung rechnen. Auch die öffentliche Förderung der Weiterbildung auf Grund steuerlicher Mindereinnahmen ist in Gefahr. Es ist wahrscheinlich, dass kleinere, finanzschwache Weiterbildungsanbieter längere Nachfrageeinbrüche, so sie denn erfolgen, nicht verkraften können. Institutionelle Folgen für den Weiterbildungsmarkt sind deshalb nicht auszuschließen. Dafür werden diejenigen Einrichtungen, die passgenaue, aber nur berufliche Weiterbildung anbieten, in Zeiten der konjunkturellen Flaute ,belohnt‘. Es ist zu befürchten, dass die Dominanz der beruflichen Weiterbildung noch weiter zunimmt und damit kulturelle und allgemeine Bildungsangebote immer stärker an den Rand gedrückt werden.'
Professor Dr. Ekkehard Nuissl von Rein ist Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE), Bonn.

'Die Nachfrage nach Coaching und Inhouse-Seminaren wird sicher steigen. Der Grund ist ganz einfach: Unternehmen können es sich jetzt noch weniger leisten, nach dem Gießkannenprinzip zu schulen. In Zukunft werden passgenaue Weiterbildungsangebote an Bedeutung gewinnen, die genau auf den aktuellen Bedarf des Unternehmens zugeschnitten sind. Und das ist bei offenen Seminaren naturgemäß nicht der Fall.'
Stephan Teuber, Executive-Coach und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Loquenz GmbH, Leinfelden-Echterdingen. Teuber ist Vorsitzender im Fachverband Personalmanagement im BDU e.V. (Bundesverband Deutscher Unternehmensberater), Bonn.

'Die starke Nachfrage nach Strategieentwicklung und -implementierung, der weiterhin zunehmende Druck zu höheren Kosteneinsparungen und verstärkten Innovationen bei den Unternehmen sowie die Notwendigkeit der Sicherung der Nachhaltigkeit von konzeptionellen Beratungsergebnissen lässt uns mit Zuversicht ins nächste Geschäftsjahr blicken. Wir sehen in den genannten Themenfeldern große Chancen.'
Dr. Timo Riedrich ist Leiter der Horváth Akademie, Stuttgart. Die Horváth Akademie ist die Trainingsorganisation der Management-Beratung Horváth & Partners, die sich auf markt- und ergebnisorientierte Unternehmenssteuerung spezialisiert hat.

'Das Jahr 2008 war für die Anbieter betrieblicher Weiterbildung ein sehr gutes Jahr – und daran wird sich nichts mehr ändern. Wie sich Rezession und Finanzkrise auf das Jahr 2009 auswirken, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorherzusagen. Ich gehe davon aus, dass wir einen leichten Nachfragerückgang nach Weiterbildungsdienstleistungen erleben werden. Von einer bevorstehenden Krise in der Weiterbildungsbranche kann man heute aber auf keinen Fall sprechen. Anbieter von beispielsweise Soft-Skills-Trainings oder auch Outdoor-Seminaren werden es möglicherweise etwas schwerer haben. Trainings etwa zu technischen Themen bleiben aber auch in Zukunft unverzichtbar.'
Carsten R. Löwe ist Geschäftsführer des Wuppertaler Kreises e.V. Im Bundesverband für betriebliche Weiterbildung sind über 50 Anbieter organisiert.
Quelle: Training aktuell 11/08, November 2008
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