Die momentan omnipräsente Zahlenkombination 2.0 suchte man auf dem 4. Fernausbildungskongress der Bundeswehr (fast) vergebens. Statt dessen konnten die Besucher, die vom 11. bis 13. September 2007 nach Hamburg gereist waren, die Erkenntnis mitnehmen, dass Game Based Learning beste Voraussetzungen hat, um die Lernform der Zukunft zu werden...
'Fernausbildung in Bewegung' - unter diesem Motto stand der Kongress, zu dem die Bundeswehr vom 11. bis 13. September 2007 nach Hamburg lud. Rund 1.000 Besucher aus sieben Nationen waren der Einladung gefolgt und konnten in zahlreichen Vorträgen und Workshops feststellen: Die Veranstaltung hätte auch unter dem Titel 'Bundeswehr in Bewegung' laufen können. Denn seit dem vergangenen Jahr hat sich in Sachen Fernausbildung einiges bei den Streitkräften getan, wie Brigadegeneral Werner Weisenburger in seiner Keynote deutlich machte. 'Um die Fernausbildung bei der Bundeswehr weiter voranzutreiben, haben wir eine Rahmenweisung auf den Weg gebracht, die neben Definitionen und Regelungen von Zuständigkeiten auch Checklisten zur Planung und Durchführung enthält', so der Kommandeur Bundeswehrschulen. Außerdem wurden - mit universitärer Unterstützung - zahlreiche Pilotfernausbildungen durchgeführt, mit Präsenzveranstaltungen verglichen und ausgewertet.
Die Mühlen des Militärs mahlen langsam
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigten indes: Die Bundeswehr ist zwar in Bewegung - hinkt aber der freien Wirtschaft noch hinterher. Denn: Sie setzt sich momentan mit Problemen auseinander, die viele Unternehmen bereits vor Jahren erkannt haben. Ein Beispiel: 'Die Teilnehmer der Pilotausbildungen haben uns zurückgemeldet, dass sie durch Fernausbildung mehr gefordert und belastet werden', berichtete Weisenburger. 'Sie sind nicht gewohnt, Lerninhalte selbstständig im Dienstzimmer zu erarbeiten und können externe Einflüsse durch Vorgesetzte und Kollegen nur schlecht ausblenden.' Auch die Gegenmaßnahmen der Bundeswehr gehören in der Wirtschaft längst zum Standard: mehr Überzeugungsarbeit, fernausbildungsgerechte Aufbereitung der Inhalte sowie mehr Freiraum für die Lernenden.
Ein weiteres Indiz für die langsamen Mühlen des Militärs: Das Trendthema Web 2.0 - aus den Programmen von Learntec & Co. momentan nicht wegzudenken - spielte in Hamburg eine Statistenrolle. Lediglich René Werth von IBM hielt die Social-Software-Fahne hoch. Im Firmenforum dozierte er über den Paradigmenwechsel, den Web 2.0 im Internet ausgelöst hat.
Schwerpunktthema: Game Based Learning
Gleichwohl mussten die zivilen Besucher nicht auf innovativen Input verzichten: Die Veranstalter hatten das Thema Game Based Learning zu einem der Kongress-Schwerpunkte erkoren und es mit prominenten Referenten besetzt.
Warum Spiele in der Weiterbildung aktuell so heiß diskutiert werden, erklärte beispielsweise Norbert Bünning, Geschäftsführer der Accenture GmbH. 'Was passiert, wenn die Generation der so genannten Digital Natives ins Arbeitleben tritt?', fragte er im Workshop 'Möglichkeiten und Grenzen von Simulationen und Game Based Learning'. 'Klassische WBTs sind ihnen zu langweilig. Es müssen neue Formen gefunden werden, um sie zum Lernen zu motivieren.' Und auch für die übrigen Mitarbeiter stellen Spiele ein probates Mittel dar, um ihnen immer komplexer werdende Sachverhalte effektiv zu vermitteln und gleichzeitig ihre Motivation zu sichern, so Büning. Seine Prognose: 'Game Based Learning wird sich in den kommenden zehn Jahren zur vorherrschenden Lernform entwickeln.'
Lernerfolg durch emotionales E-Learning?
Ein weiteres Argument pro Spiele lieferte Prof. Dr. Wilfried Mödinger von der Hochschule der Medien in Stuttgart. Er zeigte sich überzeugt: 'Informationsvermittlung muss emotionalisiert werden, nur dann ist sie nachhaltig.' Die passende Methode hatte der Experte für Electronic Media ebenfalls im Gepäck: DES, die dramaturgische E-Learning Strategie. 'E-Learning muss mit einer Geschichte, einer Lebenserfahrung verbunden sein. Es braucht ein Problem, jemanden, der das Problem löst, jemanden, der dagegen arbeitet, einen Konflikt und einen Höhepunkt', so der Wissenschaftler. 'Dann geht die Information ins Hirn.'
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigte Mödinger anhand eines Lernmoduls zum Thema Marketing: Die Lernenden müssen in die Rolle von Lara Kraft schlüpfen, einer jungen Frau, die nach dem Tod ihres Vaters dessen Kino weiterführen will. Um im Existenzkampf gegen ein Multiplex-Kino zu bestehen, muss sie sich BWL-Know-how aneignen und umsetzen, z.B. um Unterstützung von Behörden zu erhalten. Eine spielerische und - in Mödingers Augen - erfolgversprechende Form der Wissensvermittlung.
Spielen allein reicht nicht
Dass der Einsatz von Spielen oder spielerischen Elementen allein noch keinen Lernerfolg garantiert, diese ernüchternde Erkenntnis teilte Heinz Mandl mit den Kongress-Besuchern. In seiner Keynote 'Game Based Learning - Spielerei ohne Wirkung?' plädierte der Professor für Psychologie daher für eine neue Art von Blended Learning. 'Spiele dürfen nicht alleine stehen, sie müssen in einen Lernkontext eingebunden werden', erklärte der Experte für technologieunterstütztes Lernen.
Das schließt seiner Ansicht nach nicht nur Instruktionen für die Spielsituation, sondern auch Möglichkeiten zur Reflexion ein: 'Beim Spielen reflektiert man nicht, aber zum Lernen muss man reflektieren. Deshalb sollten Spiele immer mit Präsenz-Workshops verknüpft werden.' Ein weiteres Element des von ihm propagierten neuen Blended-Learning-Szenarios: eine übergreifende Lernphilosophie. 'Was jemand in einer Problemsituation gelernt hat, kann er gut anwenden', erläuterte Mandl. 'Daher sollten sich Lernszenarien mit Spielelementen an einer konstruktivistischen Auffassung von Lernen orientieren.'
Übrigens: Die Bundeswehr hat Game Based Learning bereits für sich entdeckt, wie etwa Oberstleutnant Thorsten Kodalle von der Führungsakademie der Bundeswehr bewies. Parallel zum Kongressprogramm präsentierte er auf dem so genannten Roten Platz, wie 'Crusader Rex' im Modul 'Situatives Führungshandeln' zum Einsatz kommt. Das Brettspiel versetzt die Spieler in die Zeit der Kreuzzüge. Ziel ist es, die Kontrolle über historische Städte wie Jerusalem und Antioch zu erlangen. Die Führungsakademie nutzt das Spiel, um den Nachwuchs in der Bewältigung komplexer Führungsaufgaben zu trainieren - und liefert damit ein Beispiel dafür, dass die Bundeswehr in der Tat in Bewegung ist.