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Es kann wirklich nur noch vorangehen ...

Früher Freitagnachmittag, letzter Tag der Qualifikation 96: Unbarmherzig heizt die tiefstehende Herbstsonne den Raum 104 im Tagungs Centrum Messe (TCM) auf. Der Presseclub Tagung und Weiterbildung (PTW) hatte Wolfgang Reuter, Geschäftsführer des Q-Verbandes, sowie Ernst Raue, zuständiger Geschäftsbereichsleiter der Deutschen Messe AG, zu einem Gespräch eingeladen. Ob es vorab allgemeine Fragen gäbe, begann Wolfgang Reuter den Einstieg in die Diskussion. Doch die gab es nicht. Eher gab es die ganz konkreten Fragen: wie es denn um die Zukunft der Messe bestellt sei, ob sie sich wirtschaftlich rechnet und welche konzeptionellen Vorstellungen seitens der Initiatoren entwickelt würden, um die Qualifikation für ein breiteres Aussteller- wie Besucherspektrum attraktiver zu machen.

Auf etwa 10.000 Besucher schätzte die Messe zu diesem Zeitpunkt das Publikumsinteresse. Diese Zahl wurde aufgrund der für die Qualifikation verkauften Eintrittskarten ermittelt. Hinzu kämen aber, so Reuter, rund 6.000 Besucher der Euro-Blech, die die Chance des beiderseitigen freien Zutritts nutzten, um ebenfalls auf der Qualifikation vorbeizuschauen (im Vorfeld sprach man von Synergie-Effekten). Doch sowohl diese als auch die rückläufigen Ausstellerzahlen ließen die Zuhörer erst recht nicht daran zweifeln, daß die wirtschaftliche Situation der Messe nach ihrer durchaus hoffnungsvollen Premiere 1994 zunehmend prekärer wird.

Es sei auch nicht verwunderlich, meinte Reuter, daß die Messe von den allgemeinen Entwicklungen im Bildungsbereich unverschont bliebe. Unternehmen, die Qualifizierungssysteme anböten, hätten Markteinbrüche bis zu 40 % zu verzeichnen, bei Bildungsträgern - also Akademien, Instituten und Trainern - lägen sie sogar bei 55 %. Zudem beklagte er die mangelnde politische Unterstützung, die durch die Absagen von EU-Kommissarin Edith Cresson und Minister Dr. Jürgen Rüttgers kaum deutlicher hätte ausfallen können. Doch auch diese durchaus nachvollziehbaren Gründe konnten das Informationsbedürfnis des Auditoriums nicht so recht stillen.

Wolfgang Reuter verwies auf die aktuellen Ausstellerreaktionen: Multimedia-Anbieter seien mit der Messe in der großen Mehrheit zufrieden bis sehr zufrieden. Differenzierter sei das bei den Anbietern von Qualifizierungssystemen sowie den Bildungsträgern selbst zu betrachten. Gut die Hälfte von ihnen sei zufrieden, die andere Hälfte hingegen unzufrieden. Dies waren in der Tat exakt die Beobachtungen, die auch den anwesenden Journalisten in den Messetagen zuvor nicht verborgen geblieben waren. Doch wollen sich Deutsche Messe AG und Q-Verband nicht still in ihr Schicksal ergeben.

'Die von uns erwarteten Entwicklungen sind so nicht eingetroffen', konstatierte Wolfgang Reuter. Gewinn mache die Deutsche Messe AG mit der Qualifikation 'eindeutig' nicht, so Ernst Raue. Aber: 'Die nächste Qualifikation findet hundertprozentig statt', zeigte er sich überzeugt und bemühte in bemerkenswertem Idealismus die bildungspolitische Metaebene eines gebeutelten Wirtschaftsstandortes: 'Wir investieren in das Ding. Wir haben jetzt einen Tiefpunkt erreicht. Es kann wirklich nur noch vorangehen, sonst haben bald wir ein Problem in Deutschland.' Richtig. Doch wie gedenken Q-Verband und Deutsche Messe AG ihre Probleme zu lösen? Da war sie wieder, die Frage nach der Kooperation mit anderen Messen und Verbänden. Wolfgang Reuter: 'Die didacta ist in den Köpfen der Leute immer noch eine Schulmesse, da nützen auch keine gegenteiligen Presseerklärungen.' Aber gab es nicht dieses Techtelmechtel mit dem Baseler Worlddidac-Verband?

Exkurs: Von 'Kooperationen' und 'Gesprächen'

Am 8. März 96 unterschrieben Q-Verbandspräsident Prof. Walter Grosse und Philippe Walrave vom Worlddidac-Verband einen Kooperationsvertrag (vgl. TRAINING aktuell 4/96, 6. April 96, S. 3). Dieses als 'Meilenstein' bezeichnete Konsenspapier sah die Deutsche Messe AG als finanziellen Träger und Koordinator der gemeinsamen Aktivitäten. Der Fauxpas: Der Worlddidac-Verband ist bis Ende 1998 vertraglich an die Messe Basel gebunden. Letztere zeigte sich über das einsame Vorpreschen ihres langjährigen Partners mehr als verärgert. Das Kooperationspapier mutierte zu einen gemeinsamen 'Gespräch', die Deutsche Messe AG sprach von einem 'Fehler', der ihr auf der von ihr verschickten Pressemitteilung unterlaufen sei. Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, daß der Worlddidac-Verband für die Zeit nach 1998 nach neuen Partnern sucht (vgl. TRAINING aktuell 8/96, 5. August 96, S. 12).

Schließlich ließen Ernst Raue und Wolfgang Reuter die Katze doch noch stückchenweise aus dem Sack. Das Eingeständnis: Der Standort Hannover ist mit einer jährlichen Bildungsmesse nicht zu halten. Nach den derzeitigen Überlegungen ist ein jährlicher Wechsel zwischen Hannover und einem südlicher gelegenen Messeplatz vorgesehen. Da sich die Deutsche Messe AG die Federführung der Qualifikation vorbehält, dürfte es nach den bisherigen Querelen fraglich sein, ob dies der Messeplatz Basel sein wird. Klar ist hingegen: Man möchte sich aus der 'nationalen Beschränktheit befreien (Wolfgang Reuter)' und zu einer deutlichen internationalen Ausrichtung kommen. Ergo: Man bleibt mit dem Worlddidac-Verband weiterhin im engen Kontakt. Bis zur vertragsreifen Kooperation stehen allerdings noch zwei Messetermine an. Wie meinte Ernst Raue: 'Es kann wirklich nur noch vorangehen ...' Das Prinzip Hoffnung wird in letzter Zeit von vielen bemüht. Warum sollte ausgerechnet die Messeleitung der Qualifikation eine Ausnahme machen?
Autor(en): (jgr)
Quelle: Training aktuell 11/96, November 1996
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