Wie viele Weiterbildungsanbieter gibt es in Deutschland? Wie finanzieren sie sich? Was bieten sie an? Diese Fragen können nun erstmals mit konkreten Zahlen belegt werden. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) hat gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mehrere zehntausend Weiterbildner kategorisiert.
Von 'einigen tausend' bis zu 85.000 Anbietern reichten die Schätzungen, wenn nach der Anzahl der Anbieter auf dem deutschen Weiterbildungsmarkt gefragt wurde. Viel zu ungenau, fand wohl auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die sich als Grundlage ihrer Bildungspolitik einen vollständigen Überblick über die aktuell existierenden Weiterbildungsanbieter in Deutschland wünschte.
Mit einem Forschungsprojekt zu diesem Thema betraute das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Universität Hannover (IES), das im Auftrag des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) eine bundesweite Kurzbefragung der Weiterbildungsanbieter durchführte. Ab Oktober 2007 wurden die Marktteilnehmer interviewt – bereits Ende Februar 2008 wurden die ersten Ergebnisse der Befragung auf einer Fachtagung in Bonn vorgestellt.
Rund 40 Prozent der Adressen sind nicht korrekt'Die Erhebung belegt einmal mehr, wie schwierig und aufwendig es ist, die deutschen Weiterbildungsanbieter komplett zu erfassen', gab Hans-Joachim Schade vom BIBB bei der Präsentation der Ergebnisse zu. Das größte Problem der Projektverantwortlichen: In über 20 öffentlichen Verzeichnissen wie Telefonbüchern und Datenbanken hatte das IES nach Weiterbildungsanbietern recherchiert und 24.682 Anbieteradressen zusammengetragen. Als diese Anbieter im zweiten Schritt jedoch telefonisch kontaktet wurden, stellte sich heraus: Nicht hinter jeder Adresse, die in branchenspezifischen Datenbanken hinterlegt ist, steht tatsächlich ein Weiterbildner. Im Gegenteil: Rund 40 Prozent der Angesprochenen hatten überhaupt nichts mit Weiterbildung am Hut.
17.005 Weiterbildungsanbieter gibt es mindestens Doch die Befragung zeigte auch: Hinter 13.115 überprüften Adressen stand tatsächlich ein Weiterbildner. Dazu werden einige tausend addiert, so genannte verbürgte Adressen wie etwa Volkshochschulen und andere öffentliche Anbieter. Macht in der Summe 17.005 Weiterbildungsanbieter. Damit gibt es erstmals in Deutschland eine Angabe dazu, wie viele Weiterbildungsanbieter hierzulande aktiv sind.
Doch diese Zahl ist nicht in Stein gemeißelt: '17.005 Weiterbildungsinstitute gibt es mindestens in Deutschland', relativiert Schade die Ergebnisse. Da nur diejenigen Trainer und Dozenten befragt werden konnten, deren Angebot öffentlich zugänglich ist, konnten beispielsweise Trainer, die ausschließlich firmenintern trainieren und via Empfehlungsmarketing an Aufträge kommen, nur zu einem kleinen Teil erfasst werden.
Keine Antwort liefert die Studie auf die Frage, wie viele Personen in der Weiterbildung tätig sind. Gezählt haben BIBB und DIE nämlich alle 'institutionalisierten oder betrieblich verfassten Anbieter, die Weiterbildung als Haupt- oder Nebenaufgabe regelmäßig oder wiederkehrend offen zugänglich anbieten'. Die Folge: Als jeweils ein Weiterbildungsanbieter wurde in der Untersuchung sowohl ein Institut mit 30 angestellten Trainern als auch ein Einzeltrainer erfasst.
70 Prozent der Anbieter setzen auf berufliche Weiterbildung Immerhin lässt die Untersuchung aufgrund der Stichprobengröße aber verlässliche Aussagen über die Anbieterstruktur zu: Der größte Teil der Weiterbildungsanbieter hat berufliche Weiterbildung im Programm. 68 Prozent der befragten Anbieter bieten Kurse an, die der Employability ihrer Kunden zugute kommen soll.
Auch bei der Finanzierung der Anbieter kristallisieren sich klare Mehrheiten heraus: 55,3 Prozent der untersuchten Marktteilnehmer sind private Anbieter, die keine oder wenig öffentliche Förderung bekommen. Auf Platz zwei folgen mit 8,4 Prozent Marktanteil die Volkshochschulen. Die große Differenz zwischen den beiden Kuchenstücken macht deutlich, wie kleinteilig der deutsche Weiterbildungsmarkt ist.
Klare Ziele aus der Bildungspolitik fehlen Die Daten sind erhoben. Doch was tun mit den Zahlen? Welche Schlüsse können daraus gezogen werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich Professor Dr. Josef Schrader von der Universität Tübingen. In seinem Vortrag mit dem Titel 'Anforderungen an die Anbieterforschung in Deutschland' machte der Pädagoge auf ein Problem aufmerksam: Marktforschungen wie die vorgelegte können nur die Struktur des Weiterbildungssystems abbilden. Nun muss die Bildungspolitik auf der Grundlage dieser Zahlen entscheiden, wie und wohin sie die Entwicklung des Weiterbildungsmarktes steuern möchte.
An einem Beispiel machte Schrader deutlich, wo politisches Handeln nötig wäre: 'Marktorientierte Anbieter gewinnen an Gewicht, öffentliche Anbieter verlieren an Bedeutung', lautete eine der Thesen Schraders. Das hat längst auch Auswirkungen auf das öffentliche Weiterbildungsangebot, wie der Pädagogikprofessor anhand der Veränderung des Programm-Portfolios einer Volkshochschule belegte.
Das Angebot für bildungsferne Schichten wird kleinerSchraders Angebotsvergleich aus verschiedenen Jahren zeigte: Selbst die Volkshochschulen richten ihr Angebot zunehmend marktorientiert und berufsspezifisch aus. 'Die klassische Wissensvermittlung wird seltener, Angebote an subjektiver und alltagsorientierter Handlungskompetenz sind gefragt', so der Professor. Dieser Trend läuft jedoch allen politischen Bemühungen zuwider, die wachsende Kluft zwischen Hochgebildeten und den viel zitierten bildungsfernen Schichten zu schließen.
Schließlich machte der Dozent aus Tübingen auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: Nur wenn Erhebungen wie im aktuellen Projekt von BIBB und DIE regelmäßig erfolgen, können durch die Vergleichsdaten aussagekräftige Rückschlüsse über die Entwicklungen des Marktes gezogen werden. Will heißen: Nur wenn BIBB und DIE die gleiche Umfrage wiederholen, lässt sich beispielsweise abschätzen, ob die öffentlich geförderten Anbieter weiter an Bedeutung verlieren.
Ob diese Untersuchungen jedoch möglich sind, ist noch unklar. Der Grund: Das Bundesministerium hat mit den vorliegenden Ergebnissen des Projekts 'Anbieterforschung' nun erst einmal den erwünschten Einblick in die aktuelle Struktur des Weiterbildungsmarktes. Ob das BMBF jedoch auch die Mittel für weitere Untersuchungen bereitstellt, dazu gibt es bislang noch keine Aussage aus Berlin.