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Erlebnispädagogik auf der BiCom 1998: Vom tieferen Sinn des Kletterns

Erlebnispädagogen haben sicherlich spannende Geschichten auf Lager. Schließlich gibt es unter ihnen Höhlenforscher, Bergretter und Kampfkünstler. Dennoch war der zweite Internationale Kongreß 'erleben und lernen' vom 12. bis 13. November 1998 im Rahmen der regionalen Weiterbildungsmesse BiCom in Augsburg eher eine Veranstaltung der leisen Töne. Im Vordergrund stand nicht die Verkündung spektakulärer Heldentaten, sondern der Anspruch, stimmige Lehrkonzepte anzubieten.
Böse Zungen könnten behaupten, die bescheidene Präsentation der Erlebnispädagogen hinge mit der Zusammensetzung der Besucher zusammen. Unter den 400 Kongreßteilnehmern fanden sich nämlich kaum potentielle Kunden aus der Wirtschaft, dafür jede Menge Vertreter von Weiterbildungsinstituten und Universitäten. Franz Bossek, Projektleiter der BiCom, sprach von einer 'akademischen Veranstaltung'. Und der Münchener Outdoortrainer Bernd Heckmair lockerte - nachdem er bei Gruppenaufstellungen im vollen Saal nur vier Unternehmensvertreter ausmachen konnte - demonstrativ den Knoten seiner pinkfarbenen Krawatte. Ein Loblied auf waghalsige Aktionen im Freien hätte er aber sicherlich auch bei einer anderen Zusammensetzung des Publikums nicht gesungen.

Überschätzte Seilgärten

Nach Heckmairs Verständnis geht es bei Outdoortrainings nicht darum, unter dem Motto 'Mountains speak for themselves' hinter Reinhold Messner herzuhetzen. Angestrebt werden müsse vielmehr, das Unternehmen unter freiem Himmel nachzubilden. So könne z.B. eine Orientierungsübung Kommunikationsschwierigkeiten von Außen- und Innendienst verdeutlichen. Zwei Mannschaften werden gebildet, die sich sowohl intern zusammenraufen als auch über Funk untereinander austauschen müssen.
Desweiteren riet Heckmair den Kollegen, sich nicht auf ein Patentrezept zu versteifen. So könnten beispielsweise mit den Seilgärten, die er zur Zeit überall aus dem Boden sprießen sieht, lediglich 20 Prozent der Teamentwicklung abgedeckt werden. Auch bei Trainings auf dem Schiff reiche es nicht, allein auf das Mannschaftserlebnis beim Segeln zu bauen.
Auf dem von der Uni Augsburg organisierten Kongreß widmeten sich von insgesamt 22 Workshops und Vorträgen nur noch zwei weitere direkt der beruflichen Weiterbildung. Neben dem Workshop 'Frauen führen anders' von Andrea Szabadi bot Peter Schettgen eine Einführung in die Philosophie des Aikido an. Auf diese japanische Kampfkunst schwört der wissenschaftliche Assistent an der Uni Augsburg bei Streß- und Konfliktmanagement-Trainings. Im Workshop ging es auch gleich richtig zur Sache: Die Teilnehmer konnten z.B. ihre spontane Reaktion auf Schettgens Bogenstock-Angriffe erleben.

Fachleute unter sich

Erlebnispädagogik war neben Existenzgründung und Aus- und Weiterbildung auch ein Austellungsschwerpunkt der BiCom. Zum Messepublikum bemerkte Niko Schad, pädagogischer Leiter beim Outdooranbieter Outward Bound, Schwangau: 'Kundengewinnung steht hier für uns nicht im Vordergrund.' Gekommen sei er in erster Linie wegen des fachlichen Austausches unter Kollegen. Der wiederum ist ganz im Sinne der interdisziplinären Initiative Erlebnispädagogik (iie) der Uni Augsburg. Seit ihrer Gründung im Jahr 1996 haben sich Wissenschaftler und Praktiker die Diskussion und Weiterentwicklung von Grundlagen, Zielen und Methoden der Erlebnispädagogik zum Ziel gesetzt.
Perfekt zum universitären Charakter der Veranstaltung paßte auch der Auftritt eines Kritikers. Der bekannte Pädagogikprofessor Hartmut von Hentig nahm im Gespräch mit dem Augsburger Professor Hartmut Paffrath den wissenschaftlichen Begriff Erlebnispädagogik auseinander: Es gebe gute Pädagogik und es gebe Erlebnisse, erklärte der 73jährige. Auf inszenierte Erlebnisse habe er schon als Lehrer nie gesetzt. So ist seiner Ansicht nach der Tod eines Meerschweinchens für Schüler eine wichtigere Erfahrung als einmal 'vom Dover-Cliff zu hängen'.
Während von Hentig die zahlreichen Studenten mit Denkanstößen versorgte, verließ Peter Schettgen zufrieden die Veranstaltung. Er hatte mit seinem Aikido-Workshop drei der auf dem Kongreß seltenen Unternehmensvertreter überzeugt.
Autor(en): (abi)
Quelle: Training aktuell 12/98, Dezember 1998
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