Seit dem 1. Juli 2004 ist die Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZWV) in Kraft. Ihrzufolge müssen Bildungseinrichtungen, die öffentlich geförderte Weiterbildung anbieten, ab sofort ein Qualitätsmanagementsystem nachweisen. Andreas Orru, Geschäftsführer der Zertifizierungsagentur CERTQUA GmbH, Bonn, sieht die Verordnung kritisch. Im Gespräch mit Training aktuell schildert er seine Bedenken.
Herr Orru, die AZWV verpflichtet Bildungsträger, die im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit arbeiten wollen, ein Qualitätsmanagementsystem nachzuweisen. Das müsste doch in Ihrem Sinne sein?
A. Orru: Auf den ersten Blick scheint das so, weil die Verordnung für uns als Zertifizierer Geschäfte generiert. Wir sehen das aber nicht nur unternehmerisch, denn wir haben eine bildungspolitische Aufgabe zu erfüllen,
- und die lautet seit über zehn Jahren, Zertifizierungsdienstleistungen für den Bildungsbereich zu erbringen. Unsere Triebfeder war stets, ein freiwilliges Instrument zu liefern, um Qualität in Bildungsorganisationen zu fördern. Eine Zwangszertifizierung aufzulegen, halten wir für kontraproduktiv.
Warum sollte ein verpflichtendes Qualitätsmanagementsystem kontraproduktiv sein?
A. Orru: Ausschlaggebend ist, was der Zwang bewirkt. Einrichtungen, die unter dem Begriff 'schwarze Schafe' subsummiert werden, haben inhaltlich kein Interesse an einem Qualitätsmanagement. Sie werden daher versuchen, mit dem geringsten Aufwand irgendein 'Papiersystemchen' aufzubauen, damit möglichst rasch und billig ein Zertifikat an die Wand kommt. Und das kann nicht Sinn der Übung sein.
Das lässt die Verordnung zu?
A. Orru: Man darf nicht nur die Rechtsverordnung, man muss auch die Begründung lesen. Da werden zwar drei Qualitätsmanagementsysteme ausdrücklich genannt - nämlich ISO 9000, EFQM und LQW -, daneben aber lässt die Verordnung eine Vielzahl von noch neu zu entwickelnden Derivaten zu. Und das öffnet neuen Modellen Tür und Tor und führt dazu, dass im Ergebnis eine unüberschaubare Zahl kleiner Qualitätszirkel auf niedrigem Niveau entsteht.
Sehen Sie dafür schon Anzeichen?
A. Orru: Ja, ein Anzeichen ist z.B. die Inflation von Qualitätssiegeln und Qualitätsmodellen, die seit der Hartz-Debatte in Umlauf kommen. Häufig auch auf regionaler Ebene. Da gibt’s dann für fast jedes Bundesland ein eigenes Modell.
Was ist das Problem an solchen Qualitätsvorhaben?
A. Orru: Das sind Insellösungen. Und die orientieren sich im Ansatz immer eher nach unten. In globalisierten Zeiten, in Zeiten der EU-Erweiterung, dürfen wir uns aber in der Qualitätsdebatte- gerade im Bildungsbereich - nicht von der internationalen Diskussion abkoppeln. Es kann daher nicht sein, dass wir jetzt auf Inselmodelle insbesondere mit regionalem Charakter setzen. Das ist nicht zielführend.
Was ändert sich denn durch die Verordnung für den Endverbraucher?
A. Orru: Erstmal nichts, außer, dass eine heillose Verwirrung entsteht, begründet durch die bereits erwähnte Vielzahl von Qualitätsmodellen, durch die im Grunde niemand mehr durchsteigt. Neutrale Teilnehmer, Auftraggeber in Behörden oder Personalverantwortliche in Unternehmen - sie sind sicher nicht in der Lage, diese ganzen Qualitätsansätze zu differenzieren.
Was bedeutet die Intransparenz für den Weiterbildungsmarkt?
A. Orru: Letztlich führt das dazu, dass sich Bildungsträger im Zweifel für das entscheiden, was am schnellsten geht und am billigsten ist. Dadurch wird eine Qualitätsspirale nach unten in Gang gesetzt. Intendiert war aber eine Qualitätsspirale nach oben. Ziel des offenen Systems war, dass sich die beste Lösung durchsetzt, was jetzt sicher nicht passiert.