Als 'etwas dubios' bezeichnete ein Trainer das Vorgehen, mit dem ein Verlag ihn Anfang Juni als Anzeigenkunden für einen so bezeichneten 'Seminar-Führer' gewinnen wollte. Über eine zwischengeschaltete Agentur wirbt ein in Darmstadt ansässiger Kramm-Verlag für ein neues jährliches Nachschlagewerk im Magazinformat, das den Leser über das Angebot von ca. 400 Veranstaltern für Ausbildung, Weiterbildung, Lehrgänge, Schulungen und Seminare 'mit allen relevanten Angaben' informieren will. Das Nachschlagewerk soll zum Preis von 29,80 Mark ab Oktober 1994 in einer Auflage von 30.000 Exemplaren über den Buchhandel vertrieben werden, 5.000 Exemplare werden kostenlos an 'Personalleiter deutscher Großunternehmen' verschickt. Forciert werden soll der Vertrieb zudem durch 'unterstützende Werbung in Presse, Rundfunk und Fernsehen'.
Die Akquise der avisierten 400 Veranstalterpräsentationen hat der Verlag der Haberl & Partner Medien- und Werbeagentur, Frankfurt, übertragen. Diese bemüht sich nunmehr, Trainer und Institute mit einem auf den ersten Blick attraktiven Seitenpreis von 980,- DM zu einer Eintragung zu bewegen. Dabei stellt die Agentur dem unschlüssigen Interessenten auch einmal die Möglichkeit von zusätzlicher redaktioneller Berichterstattung in Aussicht - bei geplanten 400 ganzseitigen Präsentationen und einem Gesamtumfang des Nachschlagewerkes von rund 500 Seiten ein gewagtes Versprechen.
Der Verlag baut dem dann auch auf seinem Auftragsformular unmißverständlich vor: 'Unsere Vertreter/Agenturen (...) haben keine Vollmacht zu mündlichen Zusagen, sofern diese nicht schriftlich vom Verlag genehmigt wurden.' Einen Satz vorher offenbart sich jedoch die eigentliche Fußangel des Anzeigenauftrags: 'Das Auftragsverhältnis verlängert sich jeweils auf die Ausgabe des Folgejahres und folgende, sofern nicht eine der Parteien zum 30.6. des Ausgabejahres gekündigt hat.' Ein rechtlich durchaus erlaubtes Vorgehen, das jedoch auf das schlechte Gedächtnis des Inserenten baut. Und letzteres kann in Zusammenhang mit den zusätzlichen Geschäftsbedingungen des Verlages teuer kommen: 'Bei Änderung der Anzeigenpreise treten die neuen Bedingungen auch für laufende Aufträge - sofern keine anderslautende, schriftliche Vereinbarung getroffen wurde - mit dem Einführungstermin des neuen Tarifs in Kraft.'
Die Agentur Haberl & Partner zeigt sich von Kompetenz und Integrität des Verlages überzeugt. In ihrem Anschreiben an die potentiellen Anzeigenkunden heißt es: 'Der `Seminarführer 1995´ (...) wurde - wie sämtliche der von uns betreuten Verlagsobjekte - sorgfältig geprüft.'
Unsere Überprüfung ergab: Es existiert zur Zeit weder ein gültiger Handelsregistereintrag des Kramm-Verlags noch der Haberl & Partner Medien- und Werbeagentur. Deren Anschriften sind zudem nicht in den für Buchhandel und Verlagswesen einschlägigen Adressverzeichnissen 'Stamm' und 'Banger' zu finden. Auf unsere telefonische Nachfrage, ob der Verlag über eine Verkehrsnummer verfüge, entgegnete die Stimme am anderen Ende der Leitung: 'Was ist das?' Die Verkehrsnummer dient der Vereinfachung des Zahlungsverkehrs zwischen Verlagen und Buchhandlungen - bei dem geplanten Vertrieb von 25.000 Exemplaren über den Buchhandel eine ungemein hilfreiche Einrichtung. Unser Eindruck: Es dürfte sich um schlichte Gewerbetreibende handeln, die nunmehr den Weiterbildungsmarkt als neues und ergfolgversprechendes Betätigungsfeld entdeckt haben.