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Demografischer Wandel: Die wenigsten Unternehmen sind vorbereitet

Schon in zehn Jahren werden Mitarbeiter über 50 in Unternehmen die Mehrheit sein. Die Unternehmen wissen das zwar, dennoch sind sie für den demografischen Wandel nicht ausreichend gewappnet. Altersgerechte Personalmaßnahmen sowie Diversity-Programme, die den Generationenmix fokussieren, haben erst sehr wenige Unternehmen entwickelt.

In zehn bis 15 Jahren dürften zahlreiche Unternehmen in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. Denn - und das ist längst kein Geheimnis mehr - der Anteil älterer Mitarbeiter in den Firmen wird sich deutlich erhöhen. Nicht nur, weil die Große Koalition das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht hat. Es kommen schlicht nicht mehr so viel jüngere Mitarbeiter nach. Schuld daran ist der anhaltende Geburtenrückgang seit ca. 30 Jahren. Laut aktuellen Prognosen des statistischen Bundesamtes ist bereits zwischen 2010 und 2030 mit einer kritischen Zunahme älterer Menschen zu rechnen. Schon in wenigen Jahren sollen die über 50-Jährigen den Arbeitsmarkt dominieren.

Der vielfach beschriebene demografische Wandel bedeutet für die Unternehmen, dass sie von einem künftigen Fachkräftemangel ausgehen müssen. Darüber hinaus sind sie gefordert, die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter mittleren und höheren Alters zu sichern. Bewusst ist dies den meisten Unternehmen. Die wenigsten haben aber bereits reagiert. So hat das Kölner Beratungsunternehmen Ungleich Besser Diversity Consulting in Kooperation mit der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt und dem 'Personalmagazin' mittels einer Befragung unter 46 Unternehmen jüngst herausgefunden, dass nahezu alle Betriebe die Alterung der Belegschaften und Märkte zwar zu den wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen für Unternehmen zählen, entsprechende innerbetriebliche Maßnahmen aber noch Mangelware sind. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) Ende vergangenen Jahres kam zu ganz ähnlichen Ergebnissen: Fast die Hälfte der ca. 100 befragten Personalmanager gab an, zurzeit nicht dazu zu kommen, sich der künftigen demografischen Situation anzunehmen, obwohl sie diese für wichtig hält.

Kaum ein Unternehmen ist für den demografischen Wandel fit

'Die deutsche Wirtschaft ist auf den demografischen Wandel völlig unzureichend vorbereitet', schlussfolgert Michael Stuber, Inhaber von Ungleich Besser Diversity Consulting. Lothar Schneider, Geschäftsführer des Berliner Beratungsunternehmens Projektservice Lothar Schneider, malt nicht ganz so schwarz. 'Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die sich für den demografischen Wandel rüsten', weiß er als Veranstalter der Anfang April 2006 zum zweiten Mal stattgefundenen 'Bundeskonferenz Demografische Entwicklung und alternde Belegschaften'. Die meisten Firmen seien mitten drin in der Erarbeitung personalpolitischer Maßnahmen. Allerdings, so schränkt auch Schneider ein, gebe es noch recht viele Baustellen. Ein fertiges Programm könne noch kein Unternehmen vorweisen.

Vorreiter in altersgerechter PE: die voestalpine AG

Als Ausnahme stellt Schneider die voestalpine AG heraus. Das in Linz ansässige Unternehmen hat mit seinem konzernweiten Projekt 'LIFE' ein umfassendes Programm zur Anpassung der Unternehmenskultur und der Arbeitsprozesse an das Älterwerden der Belegschaft ins Leben gerufen. Gleichzeitig soll mit dem Programm der drohende Mangel an jüngeren Mitarbeitern aufgefangen werden. Neben Gesundheitsmaßnahmen zur Senkung der Krankheitsquote und ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen beinhalten die Aktivitäten Managerschulungen zum Thema 'lebensphasenbezogenes Führen'. Zudem gibt es eine Weiterbildungsoffensive, die allen Mitarbeitern ermöglicht, zwei Prozent der Jahresarbeitszeit für Aus- und Weiterbildung zu verwenden. Wichtig ist voestalpine der Generationenmix. 'Es geht nicht darum, sich vorzugsweise um die Alten zu kümmern. Man muss sich um alle Mitarbeiter kümmern', bringt es Berater Schneider auf den Punkt.

Eine Maßnahme, die das Miteinander von Alt und Jung in den Unternehmen fördert, seien z.B. altersgemischte Teams. Ferner seien Mentoring- sowie Tandem-Führungsprogramme sinnvolle PE-Maßnahmen. Mit solchen Programmen haben auch schon einige Unternehmen positive Erfahrungen gemacht. So etwa die Deutsche Bank. Sie setzt Tandems von Berufsanfängern und erfahrenen Kräften bei der Beratung wohlhabender Privatkunden und im Bereich Firmenkunden ein. Ältere und junge Mitarbeiter ergänzen sich gegenseitig durch langjährige Erfahrung auf der einen Seite sowie der Entwicklung neuer Ideen und Ansätze auf der anderen Seite.

Die Erfahrung von älteren Mitarbeitern wird geschätzt

Laut der DGFP-Studie ist der Erfahrungsvorsprung im Übrigen für Personalmanager der wichtigste Unterschied zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern. Immer mehr Unternehmen wissen dieses Potenzial auch zu schätzen: Bei Personaleinstellungen sprechen sie gezielt ältere Mitarbeiter an. Bereits vor ein paar Jahren ist die Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG aus Coburg mit ihrer Anzeigenserie 'Senioren gesucht' aufgefallen. Aktuell will der Logistik-Dienstleister Trade-Log aus dem mittelhessischen Wettenberg Stellen für über 50-Jährige schaffen. Last but not least hat BMW in Leipzig vermehrt Mitarbeiter eingestellt, die 40 Jahre und älter sind.

Bei der Rekrutierung der Leute hat der Automobilhersteller allerdings die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht so einfach ist, ältere Mitarbeiter zu gewinnen: Auf die ausgeschriebenen Stellen bewarben sich zunächst kaum Kandidaten im anvisierten Alter. Der Grund: Die Zielgruppe fühlte sich trotz des Hinweises auf das Alter nicht angesprochen. Das Vorurteil, dass Mitarbeiter über 40 auf dem Arbeitsmarkt sowieso keine Chancen mehr haben, sitzt zu tief. Das zeigt einmal mehr: Bezüglich des demografischen Wandels ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Mitarbeiter.
Autor(en): (pwa)
Quelle: Training aktuell 05/06, Mai 2006
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