'Diese Welt kommt nicht mehr zu Ruhe.' Roland Schulz, geschäftsführender Gesellschafter der Henkel KGaA, nahm den 200 Teilnehmern der Netzwerk-Tagung Anfang Juni 2000 in Düsseldorf die Hoffnung auf ruhigere Zeiten. Wer das Ende der gegenwärtigen Umbruchphase nahe wähnte, wurde beim Erfahrungsaustausch der Deutschen Gesellschaft für Personalführung eines Besseren belehrt. Alles drehte sich um das Thema wachsende Komplexität und wachsender Innovationsdruck sowie deren Folgen für das Personalmanagement.
Die Welt kommt nie mehr zur Ruhe
'Alles wird noch viel schlimmer, noch viel rasanter', beschrieb Prof. Dr. Dr. Michael Kastner, wissenschaftlicher Leiter des Institutes für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin in Herdecke, die Zukunft. Die Globalisierung bedeute einen steigenden Qualitäts-, Zeit- und Kostendruck, der wiederum in einen steigenden Innovationsdruck münde. Damit die Unternehmen mit der stark wachsenden Komplexität und Dynamik - in Kastners Worten 'Dynaxität' - umgehen können, ist eine 'Vertrauensfehlerlernkultur' mit systematischem Wissensmanagement und entsprechenden Belohnungsystemen Voraussetzung. So glaubt er beispielsweise an einen Anstieg von Innovationen, wenn das Belohnungssystem umgekehrt würde: Statt einen Mitarbeiter, der eine gute Idee hat, zu 'bestrafen', indem der Vorgesetzte sagt 'Gute Idee, dann mach', müsse die Umsetzung der Idee auf einen anderen Mitarbeiter übertragen werden. Zwangsläufig führe dies zu einer Menge guter Ideen, weil der Erfinder keine Mehrarbeit befürchten müsse.
Innovationsmanagement und Wissensmanagement gehören nach Ansicht von Kastner zusammen. Entscheidend sei der Vernetzungsgrad: Zu wenig Vernetzung hemme Innovationen, die von den Kontakten zwischen Personen mit unterschiedlichem Wissen abhängen. Zu viel Vernetzung hingegen verunsichere und reduziere die Konzentration. Besonders in Unternehmen, die durch Teilzeit-, Leih- und Telearbeit, Jobsharing und Outsourcing immer weiter auseinander fallen, müsse eine gelungene Balance zwischen Ver- und Entnetzung gefunden werden. Dies wiederum bedeute neue Anforderungen an die Führungskräfte: 'Manager brauchen künftig mehr IKK - Inkompetenz-Kompensations-Kompetenz', erläuterte Kastner. Um überlebensfähig zu sein, können sie nicht mehr alles wissen, sie müssen lediglich einen wissenden Eindruck vermitteln können. In der Dynaxität, so seine These, werde Wissen durch Vertrauen ersetzt: Führungskräfte werden Mitarbeiter nötig haben, denen sie vertrauen können, Kunden brauchen Verkäufer, Berater und andere verlässliche Systeme.
Gegensätzliches gleichzeitig tun
Die von Kastner angesprochenen Gegensätze, die gleichsam wirksam werden - wie Vernetzung und Entnetzung - bestätigte auch Prof. Dr. Walter A. Oechsler vom Lehrstuhl Personalwesen an der Universität Mannheim. Während in den 70er und 80er Jahren versucht wurde, externer Komplexität mit interner Strukturierung wie Marktsegmentierung, Projektmanagement und Führung über Zielvereinbarungen beizukommen, würden diese Konzepte jetzt versagen. Stattdessen sei ein Management der Dualitäten erforderlich. Oechsler: 'Gegensätze wie Konkurrenz und Partnerschaft, Zentralisierung und Dezentralisierung, Differenzierung und Integration etc. müssen gleichzeitig verwirklicht werden.' Das Prekäre aus Oechslers Sicht: Die Unternehmen stecken mit ihren Managementsystemen noch immer in den 80ern.
Dass die Unternehmen unbedingt handeln müssen, daran ließen auch Heiko Lange, Personalvorstand der Deutschen Lufthansa AG, und Dr. Roland Schulz von der Henkel KGaA keinen Zweifel. Im Fokus ihrer moderierten Diskussion stand die Mitarbeitergewinnung und -bindung. Lange: 'Schon heute gehen die Besten nicht mehr in Großunternehmen, sondern machen sich selbstständig.' Die Herausforderung für Unternehmen sieht Schulz jetzt vor allem darin, den Entrepreneurs die entsprechenden Freiräume im Unternehmen zu bieten. Eventuell müsse sogar das Job-Design auf die einzelnen Personen zugeschnitten werden. Für Lange ist die Vision das Wichtigste: Dem Mitarbeiter müssen seine eigenen Ziele und die seines Unternehmens klar sein. Denn, so Lange: 'Only these who can see the invisible, can do the impossible.'