'Die Zeiten von Best Practices sind vorbei, Next Practices werden gebraucht.' Auf diese Formel lässt sich zusammenbringen, was Prof. Dr. Peter Kruse den 850 Teilnehmern des DGFP-Kongresses Ende Mai 2003 in Wiesbaden vermittelte. Der Bremer Unternehmensberater machte mit der Forderung nach Next Practices zwar auch Werbung für sein gleichnamiges Unternehmen, seinem Vortrag tat das aber keinen Abbruch: Eindringlich beschrieb er die zunehmende Komplexität und Dynamik - auch Dynaxity genannt - unserer Wirtschaft, in der die bloße Optimierung von Bestehendem nicht mehr ausreiche. 'Die meisten Menschen, die unter Druck geraten, machen immer mehr von demselben, nur noch intensiver. Wann immer sich aber die Umwelt ändert, ist Stabilität tödlich. Sie ist noch schlimmer als Instabilität', erläuterte der Organisationspsychologe und plädierte für den Mut zur Innovation, zum Prozessmusterwechsel, zur so genannten Next Practice.
Mit Instabilität umgehen lernen
'Alte Führungskonzepte taugen immer weniger, da sie sich an relativ stabilen Zuständen orientieren', fuhr Kruse fort. Seiner Meinung nach müssen Führungskräfte Faszination und Neugier für eine tragfähige Vision mitbringen. Darüber hinaus brauchen sie eine gewisse Schmerzbereitschaft, um Veränderungen anzugehen und zu ertragen. Laut Kruse beginnen Veränderungen heutzutage nämlich nicht mehr mit Sätzen wie 'Es wird besser', sondern mit Sätzen wie 'Es wird hart'. Last but not least brauchen Führungskräfte etwas, was Kruse 'Instabilitätstoleranz' nennt: die Fähigkeit, mit instabilen Systemzuständen umzugehen. Um die Steuerungsfähigkeit von Organisationen ein wenig zu steigern, plädierte Kruse für eine Abkehr von der Einzelintelligenz, hin zur Team- oder noch besser Netzwerkintelligenz. Führung durch Anweisung müsse abgelöst werden von Führung durch Netzwerkmoderation, so seine These.
Mit seinem Eröffnungsvortrag blieb Kruse längst nicht der einzige Redner, der sich dem Thema Führung widmete: Dr. Burkhard Schwenker beispielsweise, der statt des angekündigten Roland Berger den Schlussvortrag hielt, forderte ebenfalls eine neue Führungsrolle. Der Zwang zum profitablen Wachstum könne nur durch eine Vertrauensorganisation gelingen, die verschiedene Führungsrollen integriert. 'Führungskräfte müssen das Ziel vorgeben, aber flexibel in der Umsetzung bleiben, sie müssen Teamplayer, aber auch Einzelkämpfer sein', erläuterte Schwenker, der seit Juli 2003 Sprecher der Geschäftsführung von der Unternehmensberatung Roland Berger ist.
Leibeigenschaft adé
Regelrecht anschaulich dargebracht wurde das Thema Führung in einem der Foren von Jürgen Fuchs, Mitglied der Geschäftsleitung der CSC Ploenzke AG, Wiesbaden. Fuchs setzte auf die Sogwirkung der sich selbst entlarvenden Managementsprache und erzählte von Organisationen, in denen Vorgesetzte 'anderen vorgesetzt' und Menschen als Untergebene behandelt werden (sie sind 'unten und geben'), in denen Menschen mit Richtlinien 'abgerichtet' und mit Abteilungen voneinander 'abgeteilt' werden. Fuchs plädierte dafür, sich von dieser alten Welt, die er als Pyramide darstellte (hierarchisch stehen die einzelnen Abteilungen übereinander), zu verabschieden. Wie Kruse forderte er Netzwerkorganisationen. 'Damit sich Menschen jedoch verändern können, müssen sie ein klares Bild davon haben, wie das Ziel aussehen soll', erläuterte Fuchs die Schwierigkeit des Wandels. Seine These erläuterte er anhand eines Experiments: Er forderte die Zuhörer auf, ihre Arme zu verschränken und sie ein zweites Mal andersherum zu verschränken. Kaum jemandem gelang das. Daraufhin sollten sich die Zuhörer vorher genau ein Bild davon machen, welche Hand oben bzw. unten liegen muss. Und siehe da: Wandel vollbracht!
Apropos Wandel: Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) wechselt seinen Turnus: Statt wie bislang alle zwei Jahre findet er in Zukunft jährlich statt.