Personaler treiben derzeit vor allem zwei Fragen um: Wie finde und binde ich qualifizierte Mitarbeiter? Und welche Rolle spielen Werte für die Unternehmensführung? Zumindest waren das die beiden meistdiskutierten Themen auf dem 15. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. Auch mehrere prominente Redner hatten dazu einiges zu sagen.
Eigentlich wusste der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) bei der Pressekonferenz seines diesjährigen Kongresses von keinen überraschenden Entwicklungen in der Personalwelt zu berichten. Eigentlich. Allerdings: 'Überraschend ist, wie überrascht die Unternehmen auf bereits seit langer Zeit absehbare Entwicklungen reagieren', sagte Vorstandsmitglied Prof. Dr. Christian Scholz. Der Professor für Personalmanagement spielte damit auf die Reaktion der Firmen auf die Folgen der demografischen Entwicklung an, genauer: den Fachkräftemangel, der in einigen Branchen bereits zu spüren ist.
Bei der bereits 15. Ausgabe des Kongresses, der Mitte Juni 2007 wieder in Wiesbaden stattfand, bildete die Frage, wie sich qualifizierte Mitarbeiter finden, binden und entwickeln lassen, dann auch einen der Themenschwerpunkte.
Talentmanagement ist in Europa HR-Thema Nr. 1
Gleich zum Auftakt des Kongresses stellte Keynote-Sprecher Dr. Rainer Strack, Geschäftsführer der Boston Consulting Group, die Thematik in einen europäischen Kontext: 'Talentmanagement ist in den meisten europäischen Ländern das HR-Thema Nummer eins', nannte Strack das Kernergebnis einer Studie, für die die Unternehmensberatung zusammen mit der European Association for Personnel Management (EAPM) 1.350 Führungskräfte aus den EU-Staaten befragt hat . Wohlgemerkt: Strack gebrauchte den Begriff 'Talentmanagement' im angelsäschischen Sinn des Wortes. In diesem beschreibt er nämlich - anders als in Deutschland, wo mit Talentmanagement die Identifikation und Entwicklung von High Potentials bezeichnet wird - generell die Suche und Förderung qualifizierter Mitarbeiter.
'Fachkräfte werden längst über die Grenzen hinweg rekrutiert', bestätigte Wolfgang Clement im Plenumsvortrag. Allein nach Dänemark seien in den vergangenen Jahren rund 25.000 Fachkräfte abgewandert. Die Hauptgründe laut dem ehemaligen Wirtschaftsminister: 'In Skandinavien verdienen Facharbeiter nicht nur drei bis vier Euro pro Stunde mehr als in Deutschland. Auch in puncto Work-Life-Balance ist man dort weiter als hierzulande.'
Freilich wurden den 870 Kongressbesuchern aber auch Möglichkeiten aufgezeigt, die immer knapperen qualifizierten Kräfte zu finden und zu binden. Das übernahmen Vertreter aus Unternehmen. Von der Allianz Deutschland GmbH in Stuttgart berichtete etwa Personalleiterin Stephanie Dickes. 'Um für uns als Arbeitgeber zu werben, halten Linienvorgesetzte Vorträge an den Universitäten und suchen den Face-to-Face-Kontakt mit den Studenten.' Für seine Potenzialträger hat der Versicherungskonzern ein so genanntes Fast-Track-Programm eingerichtet - quasi eine Überholspur für Hochbegabte, wie Dickes den Workshopteilnehmern berichtete: 'Wir geben unseren Top-Talenten bereits sehr früh in ihrer Karriere strategische Themen zur Bearbeitung.' Das fördere nicht nur deren Managementfähigkeiten, sondern erhöhe auch ihre Verbundenheit zum Arbeitgeber.
Bewerber pflegen ihre Profile selbst im Online-Talent-Pool
Ein anderes Instrument, das dazu dient, den Nachwuchs an Fach- und Führungskräften zu sichern, stellte der Personalvorstand der Deutschen Lufthansa AG, Stefan Lauer, in seinem Plenumsvortrag vor. Und zwar ein Online-Tool, mit dem die Fluggesellschaft einen Pool von potenziellen Mitarbeitern aufgebaut hat: 'Im ‚Meine Karriere Terminal' können Bewerber ihre eigenen Profile anlegen, und stetig updaten, wenn sie neue Qualifikationen erworben haben,' sagte Lauer, der auch im Vorstand der DGFP mitarbeitet.
Weniger renommierte Firmen als die Lufthansa stehen wiederum vor der Aufgabe, sich erst einmal als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Als Vertreterin eines solchen Unternehmens referierte Christine Pehl, CSR-Referentin beim Generika-Produzenten betapharm in Augsburg. 'Die Produkte unserer Mitbewerber sind mit den unseren identisch. Über diese können wir uns nicht von ihnen abheben', schilderte Pehl das Problem des Medikamentenherstellers, das sicher vielen Personalmarketing-Leuten bekannt ist. Um sich dennoch von der Konkurrenz abzuheben, setzt betapharm auf Werte. Besonders soziale Verantwortung hat sich die Firma auf die Fahnen geschrieben: 'Wir haben das gemeinnützige beta institut gegründet, an dem Patientenversorgungskonzepte entwickelt und sozialmedizinische Fortbildungen angeboten werden', gab Pehl ein Beispiel. Das soziale Engagement von betapharm zeigt auch bei potenziellen Mitarbeitern Wirkung. 'Viele Bewerber kommen zu uns, obwohl sie anderswo mehr verdienen könnten', resümierte Pehl. 'Unsere gelebten Werte sind unser Wettbewerbsvorteil.'
Werte erzeugen Wert - oder umgekehrt?
Das Thema Werte und das damit eng verbundene Sujet Corporate Governance bildeten ohnenhin den zweiten großen Themenkomplex des Kongresses, dem in den insgesamt 50 Workshops und Plenumsvorträgen viel Platz eingeräumt wurde.
Im Forum 'Werteorientierte Führung und Corporate Governance' führte Klaus Depner von dem Frankfurter Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton eine Grundthese der Wertediskussion ins Feld. 'Werte bedeuten grundsätzlich einen Wettbewerbsvorteil', sagte der Senior Project Manager. Depner stützte diese Aussage auf die Ergebnisse einer Booz Hamilton Studie unter 365 Unternehmen weltweit. 'Wir konnten einen positiven Zusammenhang von dem Grad, nach dem ein Unternehmen die eigenen Werte lebt, und der finanziellen Performance nachweisen', berichtete Depner. Was der Berater allerdings nicht erwähnte: Die ausgemachte Korrelation kann nicht als Beweis für seine These gelten, da ebenso ein umgekehrter Zusammenhang möglich ist, der da wäre: Erfolgreiche Unternehmen leben ihre Werte stärker als weniger erfolgreiche Unternehmen.
Firmen verlieren die Kontrolle über ihre Kommunikation
Ob nun aber Werte Erfolg erzeugen oder Erfolg Werte, fest steht, dass Unternehmen gut daran tun, die eigenen Werte ernst zu nehmen. Davon zeigte sich zumindest DGFP-Vorstandsmitglied Stefan Lauer in seinem Vortrag überzeugt: 'Alibi-Moral funktioniert nicht mehr. Denn künftig können Unternehmen kaum noch etwas verbergen', formulierte Lauer eindringlich. Der Grund laut Lauer: 'Durch die Entwicklungen im Web 2.0 verlieren die Firmen zunehmend die Kontrolle darüber, welche Informationen nach außen gehen und welche nicht'.
In einer Diskussionsrunde, die die DGFP zum Thema Werte und Corporate Governance eingerichtet hatte, kam die von Lauer angesprochene Thematik wieder aufs Tapet. 'Da mittlerweile viel mehr aus den Unternehmen ans Tageslicht kommt, entsteht der Eindruck, dass es im Management immer korrupter zugeht,' sagte der Journalist und Wirtschaftspsychologe Thomas Webers. Dem sei freilich nicht so. Gleichwohl, da war man sich in der Runde einig, bestehe Handlungsbeddarf. Uneinigkeit herrschte aber über die Wahl der Mittel. Diskussionsteilnehmer Dr. Hans Böhm, Geschäftsführer der DGFP, forderte etwa eine Überarbeitung der Coperate-Governance-Regeln. 'Es sollte eine Begrenzung eingeführt werden, in wie vielen Aufsichtsräten ein Manager sitzen darf', sagte er. Eine andere Option sei ein Führerschein für Unternehmenslenker.
Eine Gegenposition zum DGFP-Geschäftsführer nahm Professor Dr. Gerhard Wolff ein. Der Professor für Unternehmensführung und Organisation an der Universität Leipzig machte eine einfache Gleichung auf: 'Je mehr Regeln es gibt, desto mehr Regeln werden gebrochen, desto mehr Skandale gibt es.' Wichtiger sei es, Managementpersönlichkeiten zu entwicklen, die Werte verantwortungsvoll ausbalancieren können.
Dass Werte nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein können, machte auch Managementvordenker Fons Trompenaars in einem sehr anschaulichen Vortrag deutlich. 'Der Wert von Werten sollte eigentlich darin liegen, dass sie uns dabei helfen, Probleme zu lösen', sagte der Experte für interkulturelles Management. Jedoch: 'Unternehmenswerte sind dazu meist zu allgemein formuliert.'