Die impliziten Regeln, nach denen wir handeln, bewusst machen und aufbrechen: Das ist das Ziel des Kreativitätsspiels von Think Gaming! Trainingtools. Denn gewohnte Denkmuster können einschränken und kreative Lösungen blockieren. Konsequenterweise verzichtet das Spiel auf Regeln. Dass dabei Lust und Frust eng beeinander liegen, zeigt der TA-Praxistest.
Das Angebot: Die Anleitung klingt wie eine Drohung: Ernüchterung, Verzweiflung, Desinteresse werde der Spieler erfahren. Aber auch Euphorie und letztlich die Auflösung 'geistiger Barrieren' wie Logik oder Systematik. Denn es sind bewährte Strategien und Gewissheiten, die kreative Prozesse blockieren, glaubt Spiele-Entwicklerin Máren Kruse. Dass der Weg zu neuem Denken durch Scheitern dieser Strategien und durch Frustration führt, ist daher durchaus beabsichtigt. Das Kreativspiel 'CreActiveBox XXL' von Think Gaming! Trainingtools präsentiert sich als Holzkiste mit drei gleichen Sets aus je drei Gegenständen, mit deren Hilfe Aufgaben zu lösen sind. Gegenstände und Aufgaben sind von Box zu Box verschieden, in diesem Fall sind es ein Schuhspanner, ein Seil und eine Bürste. Hinzu kommen noch drei Ersatzteile, die bei Bedarf eingetauscht werden können.
Der TA-Check: Da für diesen Praxistest nur eine knappe Stunde zur Verfügung steht, kürze ich die Spielidee radikal ab: Ich stelle zunächst nur eine einzige Aufgabe. Ich teile die Spieler in zwei Dreier-Teams, jedes versorgt mit einem Tool-Set. Meine Erklärungen sind knapp: Das Spiel habe keine Regeln. Die Aufgaben seien nicht wörtlich zu nehmen. Es dürfe gesponnen, um die Ecke gedacht werden.
Die Aufgabe lautet 'Schaffen Sie das Problem für eine Lösung!' Meine Testspieler, ohnehin schon skeptisch angesichts der Gegenstände vor ihnen, reagieren teilweise amüsiert, überwiegend ablehnend: „Wir haben doch kein Problem“, sagen sie. Nach einer ratlosen Pause beginnt eine Gruppe gedanklich um den Schuhspanner und die annähernd gleich große Bürste zu kreisen und erklärt dreckige Schuhe zum Problem. Die andere Gruppe ist immer noch ratlos und fragt nach der 'richtigen' Lösung. Da es die nicht gibt, wiederhole ich lediglich die Aufgabe, wobei ich die Wörter jeweils unterschiedlich betone. Die Folge: Interpreta-tionsversuche, Zweifel an Sinn und Zweck der Übung, wiederholte Ansätze, die Gegenstände anders zu benutzen. Dass es keine echte Regel gibt, wirkt auf die Spieler weniger befreiend als enervierend: 'Dann kann man ja alles Mögliche machen!'
Ich rate den Spielern, sich von allzu Naheliegendem zu lösen, wie zum Beispiel der Assoziation von Schuhspanner und Bürste zu Schuheputzen. Beide Gruppen beginnen jetzt, die Art zu verändern, wie sie die Gegenstände anwenden: Das Seil wird aufgeknotet, die Ersatzteile werden eingetauscht. Ein Zollstock dient jetzt dazu, ein Rechteck abzustecken, das die Gruppe zum Kunstwerk erklärt und zum Problem für den Betrachter. Die andere Gruppe sucht ein Problem in der Schwierigkeit, die ebenfalls eingetauschte Kugel an einem Seil zu befestigen. Der kurz aufgekommene Elan der Teilnehmer erlahmt erneut, die Gedanken drehen sich im Kreis. Weitere Aufgaben zu stellen, erweist sich als Fehler, beide Gruppen sind überfordert und frustriert. Ich breche den Test ab.
Der TA-Eindruck: Zwar hat meine Testgruppe zum Teil sehr unwillig reagiert. Kritisiert wurde vor allem die unkonkrete Fragestellung. Die größten Probleme hat aber der Testaufbau bereitet. Vor allem der Zeitmangel hat verhindert, dass die Gruppe den toten Punkt der Frustration überwindet. Trotzdem hat das Spiel seine Stärken ahnen lassen. Immerhin eine Spielerin hat es als lehrreich empfunden, dass ihr das Spiel die Grenzen des Denkens aufgezeigt hat. Diese Grenzen zu überwinden erfordert allerdings Zeit und einen geschickten, bestens vorbereiteten Spielleiter. Er muss negative Gruppendynamiken auffangen können. Sonst droht statt neuem Denken Frust.
TA-Fazit: Spannend, anspruchsvoll, heikel.
CreActiveBox XXL. Think Gaming! Trainingtools, Berlin, 2009, 285 Euro bzw. Miete 45 Euro/Tag