Im Bereich der beruflichen Weiterbildung liegt Deutschland im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld. Das geht aus dem aktuellen Berichtssystem für Weiterbildung (BSW) hervor. Trainingaktuell sprach mit Hans-Jürgen Ubben, Vorstand der Cognos AG, Hamburg, einer Holding von Bildungsunternehmen, über den alarmierenden Befund.
Alle sagen, es ist wichtig, sich weiterzubilden, aber weniger als die Hälfte tut es. Sind die Deutschen 'bildungsmüde'?
Hans-Jürgen Ubben: Kommt darauf an, ob man das Glas als halb voll oder halb leer betrachtet. Immerhin kommt der Bericht des BMBF zu dem Schluss, dass das Interesse an beruflicher Weiterbildung stabil bleibt. Durch die wirtschaftliche Lage haben sich aber seit 2000 die Arbeitsbedingungen so rasant geändert, dass der Bildungsbedarf enorm gestiegen ist. Gerade weil viele Unternehmen umstrukturieren und Personal abbauen, wird die Qualifizierung der Mitarbeiter immer wichtiger. Insofern sollten alle wachsendes Interesse an Weiterbildung haben.
Viele moderne Lernkonzepte wie e-Learning setzen auf selbstgesteuertes Lernen. Den Ergebnissen der Studie zufolge war aber das Selbstlernen nur gering ausgeprägt - zumindest im Jahr 2000. Sähe das heute schon besser aus?
Ubben: Ich glaube nicht, dass sich die Bereitschaft zum selbstgesteuerten Lernen seit 2000 sprunghaft verändert hat. Der e-Learning-Boom hat zwar neue Techniken hervorgebracht, den Lernstil und die Lernbereitschaft der Menschen aber nicht verändern können.
Wie kann man die Menschen denn zum Lernen bewegen?
Ubben: Es reicht nicht, lebenslanges Lernen einfach einzufordern. Politik, Unternehmen und Weiterbildungsanbieter müssen mehr denn je für das Lernen werben. Dabei ist zu bedenken, dass Lust am Lernen kaum durch Zwang oder Informationsfülle geweckt wird. Es gibt ein Bündel an Interessen, die weniger mit dem Beruf denn mit der Person zu tun haben, z.B. das Interesse an Selbstverwirklichung. Menschen wollen lernen, weil sie so andere Menschen kennen lernen, sich Herausforderungen stellen und neue Seiten an sich selbst entdecken können. Diese Chancen werden in der deutschen Bildungsdebatte viel zu selten akzentuiert. Wir betonen beim Thema Lernen viel zu oft den Zwang statt die Möglichkeiten. Die Floskel 'Lebenslanges Lernen' klingt daher auch fast schon wie eine Drohung...
Was kann Deutschland in punkto Weiterbildung von Ländern wie Dänemark oder Norwegen lernen, die ja eine recht hohe Beteiligung von Erwerbstätigen an beruflicher Weiterbildung haben?
Ubben: Die Unterschiede zu diesen Ländern lassen sich auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zurückführen. Deutlich wird das z.B. an der geschlechtsspezifischen Weiterbildungsquote: In Deutschland nehmen Frauen deutlich seltener an beruflicher Weiterbildung teil als Männer. In Bildungshochburgen' wie Dänemark nehmen weitaus mehr Frauen als Männer an Weiterbildung teil. Hier sind die Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren durch Weiterbildung einfach besser: In Skandinavien gibt es weitaus mehr Ganztageskindergärten und -schulen als in Deutschland. Und wo bessere Kinderbetreuung angeboten wird, sind die Berufsaussichten für Frauen einfach besser. Es reicht also nicht, nur Bildungseinrichtungen und Lernverhalten in den Blick zu nehmen und zu kritisieren. Nur wenn sich in der Gesellschaft etwas bewegt, hat Bildung bessere Chancen.