Madeleine Leitner sorgt für frischen Wind im BDP - aber auch für Wirbel: Die neue Vorsitzende der Sektion der Wirtschaftspsychologen will die sektionseigene Zeitschrift populärer machen. Der bisherige Beirat hält das für fatal und ist aus dem BDP ausgetreten. Ein Bericht über die politischen Hintergründe.
Weihnachten 2006 stand für Thomas Webers unter keinem guten Stern. Denn kurz vor den Feiertagen erfuhr der Chefredakteur der Zeitschrift Wirtschaftspsychologie aktuell, dass der Herausgeber des Verbandsorgans, die Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologen und Psychologinnen (BDP), seinen Vertrag nicht verlängert. Ihren Hut nehmen musste auch seine Redaktionskollegin Dr. Claudia Gerhardt.
Frischer Wind ist angesagt
'Wir wollten einen Cut machen mit der bisherigen konzeptionellen Ausrichtung der Zeitschrift', begründet Madeleine Leitner, Vorsitzende der Sektion, das Ende der Zusammenarbeit. Der zum Jahresende 2006 auslaufende Vertrag mit der Redaktion bot nach Aussage Leitners Gelegenheit, mit einer neuen Besetzung frischen Wind in das Verbandsorgan zu bringen. Am redaktionellen Steuer sitzen künftig Bärbel Schwertfeger, Dipl. Psychologin und Journalistin, und Isabel Nitzsche, Journalistin und Autorin. 'Mit Bärbel Schwertfeger gewinnen wir eine Chefredakteurin, die sich einen Namen in der Szene gemacht hat und über zahlreiche Kontakte verfügt', meint Leitner, die im Frühjahr 2006 zur Sektionsvorsitzenden gewählt wurde. Schwertfeger soll der Zeitschrift ein öffentlichkeitswirksames Standing verleihen.
Mit Themenheften glänzen
Inhaltlich zu neuem Glanz kommen soll die Zeitschrift mit Themenschwerpunkten: Leadership, Eignungsdiagnostik, Gesundheitsmanagement und die Psychologie des Verkaufs sind die Themen, die 2007 jeweils in einer der vier Ausgaben behandelt werden. Daneben sollen aktuelle Meldungen die Branche auf dem Laufenden halten. Nicht mehr im Inhaltsverzeichnis finden sich künftig Verbandsinterna und Beiträge, die keinen Bezug zum Themenschwerpunkt haben. Dafür sollen die Hefte besser mit den Tagungen verknüpft werden, die die Sektion zu den Themen Leadership und Eignungsdiagnostik veranstaltet.
Primär soll Wirtschaftspsychologie aktuell weiterhin die Mitglieder der Sektion ansprechen. 'Wir wollen jedoch auch Leser aus anderen Sektionen und außerhalb des Verbandes für die Zeitschrift interessieren', bekennt Leitner. Deshalb sollen die Beiträge populärer werden, ohne dabei an wissenschaftlichem Niveau zu verlieren.
Genau diesen Verlust prophezeit jedoch Ex-Chefredakteuer Webers. 'Ich fürchte, dass die Sektion einen populistischen Weg einschlägt', so Webers. Den Weg, den er für die Zeitschrift voraussieht, hält er für falsch, weil es auf dem Markt bereits genügend populär konzipierte Hefte gebe. Und weil Wirtschaftspsychologen einen kompetenten Wissenschaftsjournalismus bräuchten. Dass die Fachlichkeit künftig wohl auf der Strecke bleibe, dafür spricht seiner Ansicht nach die Tatsache, dass sich die Sektion auch vom siebenköpfigen wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift getrennt hat.
Fachbeirat verlässt den BDP
Dieser zeigte sich ebenfalls 'not amused' über seine Auflösung. Die Konsequenz: Alle sieben Beiräte sind aus dem BDP ausgetreten. Als Grund nennen sie in einem Schreiben an die Vorsitzende die Entwicklung der Zeitschrift, die sie für 'dramatisch falsch' halten.
Nachgehakt, warum sich die Sektion auch vom Beirat verabschiedet hat, erklärt Leitner, dass die neue Ausrichtung des Heftes den Schulterschluss mit einem wissenschaftlichen Gremium nicht zwingend erforderlich macht. 'Der Beirat ist ein Relikt aus vergangenen Tagen, als die Zeitschrift in erster Linie Abstracts veröffentlichte, die wissenschaftlich abgesichert werden mussten', so die Sektionschefin.
Mit dem Relaunch neu organisiert wird auch die Finanzierung des Mediums. 'Das Bestehen der Zeitschrift ist langfristig gesichert, weil die Sektion Sonderbeiträge erheben darf, über die wir das Heft finanzieren', erklärt Leitner. Auf diese Lösung habe sie sich mit dem BDP-Vorstand geeinigt. Grund für die Einigung ist laut Leitner das klare Bekenntnis der Sektion zur Mitgliedschaft im BDP. 'Wir sind schließlich alle Psychologen', fasst sie die Gemeinsamkeit der heterogenen Verbandsgruppen zusammen. Mit ihrer Entscheidung, die Wirtschaftspsychologen weiterhin unter dem Dach des BDP zu führen, zieht sie einen Schlusstrich unter die Politik ihres Vorgängers. Denn Mario Schmitz-Buhl liebäugelte mit der Abtrennung der Sektion, bis er im Frühjahr 2006 das Handtuch warf.
Ende der Unsicherheit
Der Einigung, die Leitner nun erzielt hat, war eine lange Periode der Unsicherheit vorausgegangen, berichtet Webers. Das Erscheinen der Wirtschaftspsychologie aktuell wurde im Laufe ihres Bestehens über verschiedene finanzielle Wege ermöglicht, die sich jedoch nicht rechneten: Freiwilligenbeiträge, Spenden und ein ungünstig verteilter Mitgliedsbeitrag. 'Von den 210 Euro pro Mitgliedschaft ging nur ein geringer Teil an die Sektion', so Webers. Zumindest zu wenig, um damit dauerhaft eine Zeitschrift zu finanzieren.
Webers bezweifelt auch, dass die von Leitner betonte Gemeinsamkeit der Psychologen für den Verbleib unter ein- und demselben Verbandsdach ausreicht. 'Verbeamtete und niedergelassene Psychologen, die pauschal 50 Stunden über die Krankenkasse abrechnen können, leben in einer anderen Welt als Wirtschaftspsychologen.' Berater aus angrenzenden Bereichen wie BWL und VWL stünden den Wirtschaftspsychologen näher als die Kollegen aus der Neuropsychologie. Deshalb hält er getrennte Wege von BDP und Wirtschaftspsychologen - anders als Leitner - für unausweichlich. Möglich, dass diese Differenzen die Entscheidung zu einem Neuanfang der Zeitschrift besiegelt haben. 'Entscheidungen gehen nicht ohne Trennungsschmerz vonstatten', kommentiert Leitner. Webers indes resümiert: 'Neuer Vorstand, neue Politik, neue Presse - so läuft das nun einmal.'