'Da haben wir heute auch noch unerwartet Konkurrenz bekommen...' Als BDU-Pressesprecher Klaus Reiners am 10. Mai 2007 das Pressegespräch eröffnete, das traditionell im Rahmen des vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) veranstalteten Personalberatertages stattfindet, da spielte er auf ein ähnliches Event jenseits des Rheins an: die spontan einberufene Telekom-Pressekonferenz in Bonn. Nur dürfte die Luft dort um einiges dicker gewesen sein als bei dem Personalberater-Treffen in Königswinter, wo schon fast Feiertagslaune herrschte.
Weil es vielen Unternehmen besser geht als der Telekom, sind Headhunter nämlich wieder eine gefragte Spezies. Die Auftragslage für die Personalberater hat sich abermals verbessert. Das spiegelte sich nicht nur in der guten Stimmung der rund 140 Besucher, die sich zu dem Branchentreff im Steigenberger Grandhotel auf dem Petersberg eingefunden hatten. Es spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Marktstudie 'Personalberatung in Deutschland 2006/2007', die der BDU der Presse präsentierte.
'Ich hoffe, ich langweile Sie nicht' schickte der Leiter der BDU-Fachgruppe Personalberatung Dr. Wolfgang Lichius der Vorstellung der Ergebnisse voraus - und konnte doch seine Befriedigung darüber, mit den Studienergebnissen wenig Neues zu verkünden, nicht verhehlen. Was die Untersuchung, an der sich diesmal 200 Beratungsunternehmen beteiligt hatten, nämlich offenbart, ist eine Verstetigung des Aufwärtstrends, der sich - nach der Krise zwischen 2001 und 2003 - erstmals vor zwei Jahren bemerkbar gemacht hatte.
Zweithöchster Umsatz seit 1996
Der Branchenumsatz stieg im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr 2005 um satte 19,4 Prozent - und liegt damit bei 1,15 Milliarden Euro (gegenüber 970 Millionen Euro im Vorjahr). In der Zeitspanne zwischen 1996 und 2006 ist dies der zweithöchste ermittelte Umsatz überhaupt. Nur im Spitzenjahr 2000 lag der Umsatz mit 1,27 Milliarden Euro noch höher. Die Zahl der Suchaufträge stieg von 49.600 im Jahr 2005 auf gut 58.000 im Jahr 2006.
Wachsende Umsätze erwirtschafteten gut 80 Prozent der insgesamt 1.885 Beratungsfirmen am deutschen Markt, so die Hochrechnung. Nur jedes zehnte Unternehmen hatte rückläufige Umsätze zu beklagen. 'Größere Unternehmen hatten tendenziell ein größeres Wachstum als kleinere', kommentierte Wolfgang Lichius die Entwicklung.
Klagen auf hohem Niveau
Doch generell ist die Auftragslage derart üppig, dass die Personalberater nun wieder Anlass zum Klagen auf angenehm hohem Niveau haben: Sie haben das Luxusproblem, dass es im neu aufgeflammten 'War for Talents' gar nicht so einfach ist, Suchaufträge zu erfüllen - zumindest nicht in der Kürze der vom Auftraggeber geforderten Zeit. So berichtete Personalberater Norbert Wangnick im Rahmen einer Podiumsdiskussion: 'Auf uns kommen Kunden zu, die verzweifelt sind, weil sie nicht die richtigen Mitarbeiter finden. Vor allem Kunden aus der Automobilbranche, doch auch von Seiten der Strategieberatungsunternehmen.' Aus BDU-Sicht sind diese Probleme allerdings zu einem Großteil von den Kundenunternehmen der Personalberater selbst verursacht. Diese hätten die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter sträflich vernachlässigt und ihren Nachwuchs seit Mitte der 90er Jahre nicht hinreichend gefördert.
Verstärkte Suche im Ausland
'Eine Folge der mangelnden Verfügbarkeit von passenden Kandidaten im Inland ist nun, dass die Personalberater zur Besetzung bestimmter Positionen vermehrt von vornherein jenseits der Landesgrenzen auf die Suche gehen', erklärte Lichius die 8,4 Prozent Auslandssuchaufträge, die Personalberater im Jahr 2006 erhielten (2005 waren es noch 6 Prozent). Weiterhin erhöhe die Fach- und Führungskräfte-Flaute die Akzeptanz älterer Arbeitnehmer.
Die regenerierte Auftragslage hat auch zur Folge, dass sich Personalberater wieder stärker als in den Krisenjahren auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, das heißt auf die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften, die meist (in über 50 Prozent der Fälle) per Direktansprache rekrutiert werden. Während der Anteil an klassischer Personalberatung 2003 auf 79 Prozent geschrumpft war, betrug er 2005 immerhin schon wieder gut 90 Prozent des Gesamtgeschäftes und kletterte im Jahr 2006 noch einmal leicht auf 91,2 Prozent.
Gesucht werden vor allem Kandidaten aus dem Sektor Marketing und Vertrieb - und zwar zunehmend Experten für den weltweiten Vertrieb, da sich immer mehr Firmen internationalisieren. Rang zwei und drei auf der Liste der Gesuchten: Unternehmensleiter sowie Mitarbeiter im Bereich Controlling, Finanzen und Rechnungswesen. Ingenieure werden vor allem von Maschinenbauunternehmen, der Automotive-Branche, der Elektro- und Medizintechnik gesucht. 'Und selbst die Baubranche, die sich jahrelang von der Bildfläche verabschiedet hat, sucht wieder', so Lichius.
Die Auftraggeber verlangen von den Personalberatern nicht nur Schnelligkeit. 'Sie sind darüber hinaus nicht bereit, die geringsten Abstriche in punkto Qualität zu machen', beobachtet Wolfgang Lichius. 'Schon vor vielen Jahren bekam ich von einem Auftraggeber zu hören: ‚Bei mir im Betrieb da hinten stimmt was nicht. Suchen Sie mir jemanden, der das in Ordnung bringen kann.' Solch unklarer Auftrag sei - so Lichius - kein Ausreißer, sondern typisch. 'Als Personalberater sind Sie oft gezwungen, zu analysieren: Was für ein Problem liegt überhaupt vor?'
Der Berater als Sparring-Partner für Personaler
Heute gilt das mehr denn je: Die gezielte Nachfrage nach Beratern, die nicht nur mit Methoden-, sondern auch Fach- bzw. Branchenkenntnis ausgestattet sind, habe in den vergangenen sieben bis acht Jahren deutlich zugenommen. Auch die Teilnehmer einer Kongress-Podiumsdiuskussion über die Anforderungen an Berater waren sich weitgehend einig, dass HR-Manager nicht einfach nur den Zulieferer brauchen. 'Wir brauchen den Personalberater als Sparring-Partner', brachte es Norbert Staiger, Vice President Human Resources der Océ Document Technologies GmbH in der Runde auf den Punkt. Wenig verwunderlich, dass angesichts solcher Anforderungen neben analytischen Fähigkeiten, Branchenkenntnis und Schnelligkeit vor allem auch Sekundärtugenden wie Vertrauenswürdigkeit von Unternehmensseite gefragt sind. Auf welche Art und Weise Personalberater indes ihren Suchaufträgen nachkommen, das heißt, ob sie z.B. per Anzeige oder Direkansprache rekrutieren, ist für ihre Kunden dagegen zweitranging.
Personalberater setzen zu selten auf Eignungsdiagnostik
Auf dem Personalberatertag indes war die Professionalisierung des Recruitments ein wichtiger Schwerpunkt, wobei vor allem das Thema Eignungsdiagnostik im Mittelpunkt stand. Heinrich Wottawa, Inhaber des Lehrstuhls für Psychologische Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation an der Uni Bochum, beispielsweise plädierte in seinem Vortrag für eine Kombination von Interviews mit validen Testverfahren, um zu sicheren Erkenntnissen, etwa über die Motivation eines Kandidaten, zu gelangen. 'Personalberater allerdings wenden solche Verfahren viel zu selten an', so Wottawas Beobachtung.
Angesichts der vielen Anforderungen fällt es den Personalberatungsgesellschaften übrigens selbst keineswegs leicht, ihr Personal aufzustocken, was drei Viertel der großen Firmen angesichts ihrer Wachstumspläne vorhaben. Quer durch die Bank rechnen 86 Prozent der Personalberatungsgesellschaften damit, 2007 zu wachsen. Von einer rückläufigen Beraterzahl geht daher nur ein verschwindend geringer Anteil von zwei Prozent der Firmen aus. Entsprechend stellen sich bloß vier Prozent auf eine schwächere Gewinnentwicklung im laufenden Jahr ein. Der BDU erwartet vor diesem Hintergrund innerhalb der Branche rege Wanderungsbewegungen - teilweise von ganzen Beraterteams.