Die Fernlehrinstitute Deutschlands können sich schon seit Längerem über Wachstum freuen. Im Zuge der aktuellen Wirtschaftskrise stieg die Zahl der Einschreibungen bei vielen Anbietern jetzt noch einmal sprunghaft an. Training aktuell mit Zahlen und Fakten zu aktuellen Entwicklungen in der Fernlernbranche.
Wer rund um Weihnachten und den Jahreswechsel viel ferngesehen hat, wird sich an die ungewöhnlich hohe mediale Präsenz zweier Weiterbildungsinstitute erinnern: An den Werbespots des Hamburger Instituts Lernsysteme (ILS), mit ca. 75.000 Teilnehmern pro Jahr Deutschlands größtes Fernlehrinstitut, und seiner Tochter Euro FH Hamburg, konnte man in dieser Zeit fast nicht vorbeizappen. Ein Grund für die Wahl des Zeitpunkts der Werbeoffensive liegt auf der Hand: 'Zu den guten Vorsätzen für das neue Jahr gehört für viele Menschen auch derjenige, mehr für die eigene Bildung zu tun', beschreibt ILS-Chef Ingo Karsten ein für seine Branche nicht neues Phänomen: Zum Jahreswechsel gibt es besonders viele potenzielle Neueinschreiber, die es zu umwerben gilt.
Die Wirtschaftskrise beschert Fernlehrinstituten ein sattes AuftragsplusGerade jetzt, stellt Karsten fest, ist die Methode Fernlernen für viele Menschen aber auch aus einem anderen Grunde interessant: der Wirtschaftskrise. Seit Herbst 2008 verzeichnen viele deutsche Fernlehrinstitute nämlich ein überdurchschnittlich hohes Auftragsplus. 'Im Oktober 2008, als die Finanzkrise Deutschland erreichte, meldeten sich bei uns im Vergleich zum Vorjahresmonat fast 25 Prozent mehr Teilnehmer an', berichtet der ILS-Chef. Verstärkte Nachfrage gab es indes nicht nur nach ILS-Kursen: 'Viele weitere Anbieter von Fernunterricht berichten mir seit Herbst 2008 von deutlich steigenden Anmelderzahlen', so Dr. Martin Hendrik Kurz, Präsident des Branchenverbandes Forum DistancE-Learning und Präsident des ILS. So verweisen auf Nachfrage von Training aktuell beispielsweise auch das Düsseldorfer IST-Studieninstitut und die AFW-Wirtschaftsakademie Bad Harzburg auf stark erhöhte Buchungszahlen, die sie zu einem großen Teil auf die aktuelle Wirtschaftslage zurückführen.
Merle Losem, Leiterin Bildung beim IST, erklärt die Attraktivität der Methode Fernlernen in stürmischen Zeiten: 'Viele Menschen versuchen jetzt, durch zusätzliche Abschlüsse und Qualifizierungen eine Sicherung ihrer Arbeitsstelle zu bewirken.' Ähnlich argumentiert auch der Geschäftsführer der AFW, Axel Schaper. Er sieht einen doppelten Nutzen: 'Durch die berufsbegleitende Teilnahme an einem Fernkurs können Mitarbeiter jetzt ihre Position in der Firma festigen. Oder aber dafür sorgen, dass sie im Falle einer betriebsbedingten Kündigung schneller wieder Fuß fassen.' Gerade vier- bis sechsmonatige Kursangebote seien dafür geeignet, sich für eine Verschärfung der Krise zu wappnen, wirbt Schaper.
Kontinuierlich wachsende AnmeldezahlenDurch die nach oben geschnellten Anmeldezahlen wurde die Methode Fernlernen allerdings nicht aus einem Dornröschenschlaf geweckt. 'Seit Jahren schon verzeichnen wir kontinuierlich wachsende Anmelderzahlen', sagt FDL-Präsident Kurz und verweist auf die Zahlen der 'Fernunterrichtsstatistik', die sein Verband regelmäßig herausgibt. Konnten laut der jährlichen Erhebung für das Jahr 2000 knapp 280.000 Fernunterrichtsteilnehmer pro Jahr verzeichnet werden, waren es 2005 schon 330.000. Zwei Jahre später lag die Zahl noch einmal um 20.000 Teilnehmer höher, bei über 350.000. Für diese Entwicklung macht Kurz unter anderem besseres Marketing der Anbieter und den Einzug von attraktiven E-Learning-Elementen ins Fernlernen verantwortlich. Vor allem aber profitiert die Branche seiner Meinung nach von einer gewandelten Einstellung der Bevölkerung zum Thema Weiterbildung. Die Menschen griffen heute selbstverständlicher als noch vor einigen Jahren in die eigene Tasche, um in das eigene Fortkommen zu investieren, bemerkt auch ILS-Chef Karsten.
Mit Bologna gewinnen Zertifikatskurse an Attraktivität
Einschreiben können sich Weiterbildungsinteressierte in Deutschland bei mehr als 330 Fernlerninstituten, wobei längst nicht alle von ihnen ausschließlich Fernkurse anbieten. Oft sind es traditionelle Seminar- und Trainingsanbieter oder staatliche Präsenzuniversitäten, die Fernlernen als zweites Standbein entdeckt haben. Letztere bieten den mittlerweile knapp 75.000 Fernstudierenden ebenso wie die privaten Hochschulen vor allem Abschlüsse wie Bachelor und Master an.
In jüngster Zeit gewinnen jedoch – begünstigt durch den Bologna-Prozess – auch zeitlich weniger umfangreiche Fernlernangebote der Hochschulen an Zulauf: vier- bis achtmonatige Hochschul- oder Zertifikatskurse, für die der Teilnehmer neben einer Note auch ECTS-Credits erwirbt. Der Vorteil für Studierende: Die international anerkannten Credits ermöglichen es, im Kurs erbrachte Leistungen auf ein Studium anrechnen zu lassen. 'Fernlerner können so erst einen oder mehrere Kurse zu Spezialthemen absolvieren und sich später überlegen, einen Abschluss wie Bachelor oder MBA draufzusatteln', erläutert Dr. Martin Beyersdorf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudien. Er ist überzeugt: 'Diese kleineren Formate sind für die Hochschulen sicher das Angebot der Zukunft.'
Wirtschaftsthemen auf der Beliebtheitsskala oben
Am angesagtesten bei den zumeist selbstzahlenden Fernlernenden sind – auch unabhängig von der aktuellen Krise – Wirtschaftsthemen. Für sie entschieden sich laut 'Fernunterrichtsstatistik' im Jahr 2007 ganze 24 Prozent der 350.000 Fernstudierenden. 'Hier dominieren bislang die diversen Abschlüsse zum Betriebswirt und Kurse zu kaufmännischen Themen wie Buchhaltung, Controlling und Marketing', erläutert Kurz die Präferenzen der Teilnehmer. 'Dazu gesellen sich zunehmend Themen wie Personalführung, Team- und Projektmanagement, sogar Coaching.' Neben dem Fachbereich Wirtschaft sind es Freizeit- und Gesundheitsthemen sowie Schulabschlüsse, die stark nachgefragt werden. Die prozentual stärksten Zuwächse gab es im Bereich Technik – die FDL-Statistik weist hier für 2007 ein Plus von über 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. 'Wir vermuten, dass das gewachsene Interesse an diesem Bereich auch damit zu tun hat, dass allseits über einen Mangel an einschlägigen Fachkräften geklagt wird', sagt Kurz. 'Das bringt mehr Menschen dazu, in einer derartigen Weiterbildung Chancen für sich zu sehen.' Weniger Einschreibungen erfolgten dagegen in Sprach- und EDV-Kurse.
Umfrage bestätigt: Fernlernen ist bei Personalchefs beliebt
Kurz prognostiziert seiner Zunft auch in Zukunft weiteres Wachstum. Seine Zuversicht speist sich dabei auch aus der Wertschätzung, die die Methode Fernlernen bei Personalern genießt. Das Ausmaß der Wertschätzung zeigt eine Umfrage, die das Meinungsforschungsinstituts Forsa im Januar 2008 im Autrag des ILS unter 300 Personalverantwortlichen aus Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern durchführte: Demnach schreiben jeweils über 90 Prozent der befragten Personaler Absolventen von Fernlehrgängen ausgeprägte Eigenmotivation, Zielstrebigkeit und einen hohen Grad an Selbstständigkeit zu. Dicht dahinter folgen die Prädikate 'gutes Zeitmanagement' mit 89 Prozent und 'Flexibilität' mit 85 Prozent. Die Personalverantwortlichen schätzen nicht nur die Methode Fernlernen, sondern setzen sie auch im eigenen Unternehmen ein. Zum Beispiel, um die Teilnehmer einer internen Weiterbildung vorab auf einen Wissensstand zu bringen. 'Derartige Angebote für Firmenkunden bieten viele unserer Mitgliedsunternehmen – auch wenn sie diese nicht immer offensiv vermarkten', erklärt FDL-Präsident Martin Kurz.