1.000 Tage sollten die Welt der Weiterbildung verändern, sollten den Übergang zum e-Learning-Zeitalter markieren - so die Prognose der American Society for Training and Development (ASTD) auf ihrer Tagung im vergangenen Jahr in Dallas. Auf dem diesjährigen ASTD-Kongress vom 1. bis 7. Juni 2001 in Orlando konnten nun 12.000 Teilnehmer aus über 80 Ländern ein Zwischenfazit ziehen. Deutlich wurde: Die grenzenlose Euphorie des Vorjahres hat sich gelegt, mit dem Einbruch der New Economy hat auch der Siegeszug des e-Learning einen Dämpfer erhalten. Die eigentliche Marktbereinigung steht jedoch wohl noch bevor, wie die parallel zur Tagung veranstaltete Messe mit über 500 Ausstellern zeigte. Weit mehr als 100 Aussteller warben mit e-Learning Angeboten - kaum ein Themenbereich, für den es keine elektronische Lösung gab.
Das Thema e-Learning dominierte
Auch in den mehr als 250 Tagungsbeiträgen war e-Learning das dominierende Thema: Die Diskussionen verliefen in weiten Bereichen wesentlich reflektierter als noch vor einem Jahr. Anwendungserfahrungen ließen strukturelle und kulturelle Defizite erkennen. Technologische Hürden sowie die mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen haben zum Scheitern zahlreicher e-Learning-Projekte und zur Frustration der beteiligten Mitarbeiter geführt. Grund genug für die ASTD, eine Qualitätsoffensive zu starten und durch die Vergabe eines Zertifikats für Transparenz in einem Markt zu sorgen, der derzeit 650.000 e-Learning-Kurse umfasst und gegenwärtig jährliche Wachstumsraten von 100 Prozent aufweist.
Als neues Wort des Jahres hielt 'Blended Learning' Einzug in die Diskussion. Gemeint ist damit der Mix von Online-Lernen und Präsenzlernen. Zahlreiche Unternehmensfallstudien belegten den Stellenwert dieses Ansatzes: So hat IBM in der Führungskräfteentwicklung mit einem Mix von 75 Prozent e-Learning und 25 Prozent Präsenzseminaren beide Lernformen verbunden - und bei 5.000 Führungskräften Einsparungen von 24 Millionen Dollar realisiert.
Aus der im vergangenen Jahr angekündigten Revolution der Weiterbildung ist also eher eine Evolution geworden. Der zeitliche Anteil des e-Learning ist, wie der ASTD State of the Industry Report 2001 belegt, mit 8,5 Prozent nahezu konstant geblieben; klassische Seminare liegen bei 80 Prozent. Die erfolgreiche Realisierung von e-Learning-Projekten, die Verbindung von Online- und Präsenzlernen bleibt damit eine entscheidende Herausforderung - nicht zwingend aus Kostengründen, sondern um im globalen Wissenswettbewerb schneller und konsistenter als andere lernen zu können. Dabei zeigte sich: Erfolgreiches Wissensmanagement ist weniger eine Frage der technologischen Rahmenbedingungen, sondern wird durch die Unternehmenskultur bestimmt.
Mitarbeiterbindung durch Bildung
Weiteres Thema, das die Diskussion in Orlando bestimmte, war das Thema Mitarbeiterbindung durch Bildung. Eine von der ASTD während der Tagung vorgestellte Studie belegte, dass Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiterzufriedenheit der wichtigste Indikator sind. Allerdings investieren amerikanische Unternehmen mit 1,8 Prozent der Lohn- und Gehaltssumme nach wie vor im Durchschnitt signifikant weniger als deutsche Unternehmen in die Mitarbeiterqualifizierung. Nur die von der ASTD als führend identifizierten Unternehmen erreichen mit 3,6 Prozent Werte, die dem deutschen Durchschnitt entsprechen.
Die neue Rolle der Weiterbildung in den USA ist strategisch geprägt und auf die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ausgerichtet, was sich auch unmittelbar im Unternehmensergebnis niederschlägt. Dabei müssen innovative Weiterbildungskonzepte keinesfalls technologiegetrieben sein, wie das Beispiel Dow Chemical zeigte. Durch den Einsatz von grafischen Lernlandkarten zur Visualisierung unternehmensrelevanter Themenstellungen konnte die Vision einer lernenden Organisation Wirklichkeit werden. Dies führte zu messbaren Verbesserungen im Hinblick auf Mitarbeitermotivation, Strategieorientierung und Unternehmensidentifikation und trug darüber hinaus zur erfolgreichen Integration von Union Carbide bei. Von der ASTD erhielt dieses Konzept einen 'Excellence in Practice Award'.
Mehr deutsche Teilnehmer
Insgesamt ließ die Diskussion in Orlando eine nach wie vor stark amerikanisch geprägte Sichtweise offensichtlich werden - obwohl rund 20 Prozent der Teilnehmer aus dem Ausland kamen. Die Zahl der deutschen Teilnehmer erreichte mit 96 dieses Jahr einen neuen Höchststand. So fand ein Mix von Bildungsverantwortlichen aus Großunternehmen und vielen freien Trainern auf der Suche nach neuen Ideen den Weg zur ASTD. Gegenüber dem Vorjahr war dies nahezu eine Verdoppelung, was für die Zukunft auf eine internationaler ausgerichtete Personalentwicklung in deutschen Unternehmen hoffen lässt.
Infos: Die Dokumentation der Veranstaltung, einschließlich vieler Vortragsunterlagen, findet sich unter www.astd.org. Infos über die ASTD bietet übrigens auch das im Dezember 2000 gegründete deutsche ASTD-Netzwerk (www.astd.net). Die nächste ASTD-Jahrestagung findet vom 1. bis 6. Juni 2002 in New
Orleans statt.