E-Learning wird die Bildungsarbeit mehr als jede andere Innovation verändern. Das zumindest prognostizierten die Referenten der ASTD-Jahrestagung vom 21. bis 25. Mai 2000 in Dallas. Mit neuem Logo und neuer Präsidentin startete der mit 70.000 Mitgliedern weltgrößte Bildungsverband auf seiner Jahrestagung in Dallas in das neue Lernzeitalter.
Entsprechend dem ASTD-Leitsatz 'Linking People, Learning and Performance' prägte das Thema Leistungssteigerung die Diskussion. Internetbasiertes Lernen überwinde zeitliche und räumliche Grenzen, erlaube eine bedarfsorientierte, in ihrer Qualität konsistente Qualifizierung just-in-time und vermittele eine neue strategische Dimension. Durch die Einbeziehung von Lieferanten und Kunden ermögliche es eine Weiterbildung über Unternehmensgrenzen hinweg.
'E-Learning wird so bedeutsam, dass die Entwicklung der E-Mail wie eine Marginalie erscheint', erläuterte John Chambers, Vorstandsvorsitzender von Cisco Systems, die auf uns zukommende Revolution.
Internetbasiert lernen - Geld sparen
Beflügelt wird die E-Learning-Euphorie in den USA durch Allianzen zwischen Bildungsanbietern, die die zu vermittelnden Inhalte liefern, sowie IT-Unternehmen, die die Plattformen schaffen. So stellt das erst 1997 gegründete amerikanische Softwareunternehmen Saba eine Lernplattform für insgesamt zwei Mio. Beschäftigte unterschiedlichster Unternehmen bereit, die den Zugriff auf 20.000 Kursangebote von einer Vielzahl von Bildungsanbietern erlaubt. Dem Beratungsunternehmen KPMG ist es nur durch eine solche globale Lernplattform möglich gewesen, innerhalb von 45 Tagen 8.000 Berater zum Thema 'E-Commerce' zu zertifizieren. Cisco Systems konnte online innerhalb von fünf Wochen 24.000 Mitarbeiter gemäß ISO 9001 qualifizieren, im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht 1,3 Mio. US-Dollar einsparen und eine Erfolgsquote von 93 Prozent erzielen. Dass sich auch renommierte amerikanische Universitäten diesem Trend nicht verschließen, zeigt die während der Tagung bekannt gegebene Allianz zwischen der Columbia University und dem Softwareunternehmen CognitiveArts.
E-Learning gilt in den USA als Wachstumsmarkt: Lagen die Aufwendungen der amerikanischen Wirtschaft im Jahre 1997 erst bei 197 Mio. Dollar, so wird für das Jahr 2003 ein Marktvolumen von 11,3 Mrd. Dollar prognostiziert. Zunehmend findet der Markt das Interesse von Venture Capital-Firmen, was die Entwicklungsdynamik erhöhen dürfte.
Weiterbilden - Mitarbeiter binden
Neben neuen Technologien nahm das Thema Mitarbeiterbindung einen breiten Raum ein. Für 70 Prozent aller Unternehmen ist, so Tina Sung, neue Präsidentin der ASTD, das Fehlen qualifizierter Mitarbeiter das eigentliche Wachstumshemmnis, die Schaffung von Mitarbeiterloyalität die Herausforderung. Mitarbeiter fühlen sich umso mehr an Unternehmen gebunden, je mehr Weiterbildungmöglichkeiten ihnen offen stehen, wie aus einer aktuellen ASTD-Studie hervorgeht. Führende Unternehmen übertragen dem Mitarbeiter die Verantwortung für seine eigene Entwicklung, setzen in zunehmendem Maße Lerntechnologien ein und beziehen nahezu die gesamte Belegschaft in die Bildungsaktivitäten ein.
Ausgezeichnet wurde von der ASTD in diesem Zusammenhang Robert Galvin, langjähriger Vorstandsvorsitzender von Motorola. Während der allgemeinen Rezession in den siebziger Jahren investierte Galvin - statt Mitarbeiter abzubauen -in deren Qualifizierung und legte den Grundstein für die spätere Motorola University, die noch heute als Bildungsbenchmark gilt. 'Ein Unternehmen wird', wie Galvin anlässlich seiner Ehrung betonte, 'nur dann wirklich wettbewerbsfähig sein können, wenn jeder einzelne Mitarbeiter wettbewerbsfähig ist und bleibt'.
Mit nahezu 12.000 Teilnehmern aus 85 Ländern bot die Veranstaltung - ungeachtet der allgemeinen Internet-Euphorie - vielfältige Gelegenheiten zur Schaffung persönlicher Lernnetzwerke und zum interkulturellen Erfahrungsaustausch. Aus Deutschland waren nur 50 Teilnehmer - überwiegend freie Trainer sowie einige Personalentwickler aus Unternehmen - nach Dallas gekommen. Lag´s am hohen Dollarkurs, dass die deutschen Trainer zu Hause blieben?
Karlheinz Schwuchow