Bereits seit Mitte der 90er Jahre wird e-Learning in Afrika diskutiert - vor allem als Mittel, in abgelegenen Orten den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Akteuren, die e-Learning nutzen und sich Kompetenzen in diesem Bereich aufgebaut haben. Grund genug für die Veranstalter der Online Educa das Thema 'e-Learning in Afrika' in das diesjährige Programm aufzunehmen. managerSeminare e-le@rning hat mit Referent Leopold Reif über die Besonderheiten des afrikanischen e-Learning-Marktes gesprochen.
In welchen Bereichen kommt e-Learning in Afrika zum Einsatz?
L. Reif: In erster Linie in der Hochschulbildung, aber auch in den Schulen. Bei fast allen afrikanischen Regierungen steht e-Learning ganz oben auf der Agenda. Der Grund: e-Learning wird als einzige Möglichkeit gesehen, das Milleniumsziel der United Nations 'Education for all', dem sich alle afrikanischen Länder verpflichtet fühlen, bis 2015 zu realisieren. Dabei geht es darum, Zugang zu Bildung auch in ländlichen Gebieten zu ermöglichen sowie die Qualität von Bildung insgesamt zu erhöhen.
Ist das Engagement in allen afrikanischen Staaten gleich groß?
L. Reif: Nein, es gibt große Unterschiede. Es gibt beispielsweise bürgerkriegsgeschüttelte Länder, in denen es unmöglich ist, sich im Bereich e-Learning zu engagieren oder bereits initiierte e-Learning-Projekte weiter zu verfolgen. Es gibt aber auch Länder, die sich hervortun. Südafrika zum Beispiel. Dort gibt es eine e-Learning-Dienstleistungsszene mit e-Learning-Brokern und Akkreditierungssystem. Aber auch Äthiopien, eines der ärmsten Länder der Welt, setzt auf e-Learning: Dort sollen im Laufe dieses Jahres u.a. alle 500 Oberschulen und zwölf Hochschulen vernetzt werden, um e-Learning einzusetzen.
Wer finanziert diese Projekte?
L. Reif: Das ist eine Besonderheit des afrikanischen Marktes: Die Gelder kommen nicht aus dem jeweiligen Land, sondern werden von Entwicklungshilfeorganisationen zur Verfügung gestellt. In Afrika engagieren sich besonders die Weltbank und Australien.
Gibt es auch deutsche Institutionen, die sich im Bereich e-Learning in Afrika engagieren?
L. Reif: Es hat einige Zeit gedauert, bis das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die deutschen Entwickungshilfeorganisationen die Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Entwicklungskooperation verstanden und akzeptiert haben. Inzwischen führt auch die deutsche Entwicklungshilfe e-Learning-Projekte in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Wirtschaftsförderung durch. Ein Beispiel: das 'Crystall-Projekt' der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), in dem hunderte Bildungsexperten zum Thema e-Learning ausgebildet werden - u.a. in Uganda, Ägypten und Äthiopien. Auch InWEnt, die ehemalige Carl Duisberg Gesellschaft, ist mittlerweile im Bereich e-Learning aktiv.
Und wie steht es mit deutschen e-Learning-Anbietern?
L. Reif: Die deutschen e-Learning-Anbieter haben den Markt der Entwicklungshilfekooperation bisher kaum entdeckt. Allerdings gibt es einige wenige positive Beispiele: Die Fachhochschule Lübeck trainiert über ihre oncampus e-Learning-Plattform seit Oktober 2005 in einem Pilotprojekt 40 Studenten einer privaten Hochschule in Äthiopien. Und die tele-akademie der Fachhochschule Furtwangen sowie das Fernstudienzentrum der Universität Oldenburg führen bereits seit einigen Jahren e-Learning-Programme in Entwicklungsländern durch.
Lohnt es sich für deutsche Anbieter denn überhaupt, den Blick nach Afrika zu wenden?
L. Reif: Entwicklungskooperation ist ein großer Markt und der Bedarf an Bildung in Afrika ist enorm. In einem Land wie Sambia beispielsweise melden sich jedes Jahr 20.000 Studienplatzbewerber, aber nur 1.500 von ihnen können aufgenommen werden. Und so sieht es in ganz Afrika aus. Kurz: Der Bedarf ist so immens, dass es sich auch für deutsche Unternehmen lohnt, sich in Afrika zu engagieren.
Wie müssen deutsche e-Learning-Anbieter mit Afrika-Ambitionen vorgehen?
L. Reif: Sie müssen sich auf die Besonderheiten des Marktes einstellen. Programme oder Dienstleistungen wie der Aufbau eines e-Learning-Systems werden über große Entwicklungshilfeprogramme finanziert. Das heißt, man muss sich an Ausschreibungen beteiligen. Um dabei Erfolgschancen zu haben, muss man mit den Konzepten vertraut sein, die in den Entwicklungshilfeorganisationen gefragt sind. So werden z.B. Partnerschaftsmodelle und Technologien wie Open Source und Open Content erwartet.
Warum sind gerade diese Technologien so gefragt?
L. Reif: Entwicklungsländer setzen oftmals aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der Transparenz auf Open Source. Auch Kostenaspekte spielen eine Rolle. In Afrika kommt hinzu, dass Open-Source-Produkte den Aufbau von lokalen Kompetenzen fördern sollen. Denn damit Open Source funktioniert, muss es eine Entwicklergemeinde geben, die die Softwareentwicklung vorantreibt. Und diese Experten will man natürlich im eigenen Land haben und fördern. Das gleiche gilt im Prinzip auch für Open Content.
Welche Schwierigkeiten gilt es generell bei der Einführung von e-Learning in Afrika zu bewältigen?
L. Reif: Fehlende und mangelhaft gewartete technische Infrastruktur. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, den Aufbau der technischen Infrastruktur möglichst zeitnah zu kombinieren mit dem Aufbau der notwendigen Human Ressourcen und der Realisierung von Dienstleistungskonzepten. Es besteht fast immer die Gefahr, dass die Technik da ist, aber keiner weiß, wie sie genutzt werden soll. Deshalb steht in vielen Ländern der Aufbau nationaler e-Learning-Kompetenzzentren ganz oben auf der Tagesordnung. Und da setzen dann auch Organisationen wie die Weltbank oder die GTZ an: Sie unterstützen die Universitäten, die Hochschullehrer und Lehrer dabei, die angebotenen Applikationen zu nutzen, Kompetenzen zu entwickeln und Dienstleistungen aufzubauen.
Wie ist es um die Akzeptanz von e-Learning in der Bevölkerung bestellt?
L. Reif: e-Learning ist in Afrika ein Luxusgut für eine Minderheit und stellt die einzige Möglichkeit dar, Zugang zu Bildung zu bekommen. Daher herrscht grundsätzlich eine positive Grundhaltung, wir können von einer sehr hohen Akzeptanz ausgehen. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass der Aufbau von e-Learning-Systemen von Einführungsprogrammen begleitet wird. Fehlen diese, kann einiges schief laufen. So geschehen in Äthiopien: In einem ersten Schritt bei der Vernetzung von Schulen wurden Unterrichtsfilme auf Plasmabildschirmen gezeigt. Dies wurde sehr kritisch aufgenommen. 'Unsere Kinder gehen nicht mehr zur Schule, unsere Kinder gehen zu Plasma', hieß es in Leserbriefen an die Presse. Das Problem war, dass die Lehrer nicht darauf vorbereitet waren, wie sie die Filme in ihren Unterricht integrieren sollten. Das ist der gleiche Fehler, den wir vor zehn Jahren auch in Deutschland bei der Vernetzung von Schulen gemacht haben: Man denkt, wenn die Technik eingerichtet ist und funktioniert, findet Lernen statt. Aus diesen Fehlern haben wir in Deutschland gelernt, und das passiert jetzt auch in Äthiopien.