Führungsnachwuchs entwickeln – Weiterbildungen, die darauf abzielen, standen 2011 hoch in der Gunst des Bundesinstituts für Berufsbildung. Das BIBB ehrte gleich zwei Initiativen zur Fortbildung von Nachwuchsmanagern mit seinem Weiterbildungs-Innovations-Preis. Kopfzerbrechen bereitete den Juroren unterdessen die Sonderpreis-Kategorie 'Kompetenzfeststellung'.
Die Jury des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Bonn, hatte bei der Auswahl der Träger des Weiterbildungs-Innovations-Preises (WIP) 2011 nicht so viel Arbeit wie im Vorjahr. Denn mit nur 81 Bewerbungen waren rund 100 Konzepte weniger zur Sichtung auf ihrem Schreibtisch gelandet als 2010. Ein Zeichen der Krise? BIBB-Präsident Manfred Kremer hielt sich anlässlich der Preisverleihung, Ende Februar 2011 auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart, bedeckt. Sein Kommentar: 'Wir rätseln noch.' Die gesunkene Quantität ging indes, so Kremer, nicht mit einer gesunkenen Qualität einher: Den mit 2.500 Euro dotierten Award haben wie üblich Projekte errungen, die aus Sicht des BIBB auf vorbildliche Weise demonstrieren, wie Bildung dazu beitragen kann, soziale und ökonomische Herausforderungen zu bewältigen – etwa den drohenden Fach- und Führungskräftemangel.
Nach sechs Jahren wieder ein freier Trainer unter den SiegernGleich zwei der fünf prämierten Konzepte (ohne Sonderkategorie) wirken dem Mangel an Nachwuchsführungskräften in Unternehmen entgegen. So das Programm Talent Academy – Akademie für den Führungsnachwuchs des Bondorfer Trainers Mario Neumann, der als erster freiberuflicher Trainer seit sechs Jahren die Trophäe gewann. Sein einjähriges Weiterbildungsprogramm soll Mitarbeiter mit Führungspotenzial firmenintern fortbilden. Im Zentrum der Academy stehen zwei- bis dreitägige Seminare, die über das Jahr verteilt stattfinden. Inhaltlich stimmt Neumann sie so ab, dass sie genau zum Bedarf der Zielgruppe passen, die das Management vorher anhand bestimmter Kriterien definiert hat (etwa: Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, bereits vorhandene Führungserfahrung ...). Die Themen reichen von Persönlichkeitsentwicklung über Leadership und Teamführung bis hin zur Gestaltung von Wandel und Innovation. Zum Programm gehören außerdem Praxisprojekte, die das Management des Unternehmens bei den Teilnehmern 'in Auftrag gibt'. 'Die Nachwuchskräfte sollen meist konzeptionell arbeiten', erklärt der Trainer. Das heißt z.B.: Sie sollen neue Umsatzmodelle entwickeln oder die Zusammenarbeit mit Lieferanten optimieren.
Weitere Besonderheit: Neumann bindet die Topmanager in die Fortbildung ein. Sie agieren beispielsweise als Impulsgeber bei Kamingesprächen, als Feedbackgeber bei Rollenspielen, als ganz normale Co-Teilnehmer im Seminar, aber auch als Mentoren. Vorteil, so der Trainer: 'Die Topmanager lernen die Mitarbeiter auf diese Weise besser kennen. Wenn dann einmal eine Position vakant ist, fällt ihnen eher ein passender Kandidat aus dem eigenen Hause ein.' Zwar gilt dem Trainer zufolge in der Regel das Motto: 'Die Teilnahme an dem Programm ist ein Sprungbrett, aber keine Aufstiegsgarantie.' Die Quote derer, die es nach der Teilnahme tatsächlich in eine (höhere) Führungsposition schaffen, ist aber mit rund 80 Prozent beachtlich. Nachdem er bereits viele Erfahrungen mit dem Programm in größeren Firmen gesammelt hat, verhandelt Neumann derzeit mit einem Verbund kleinerer Firmen im Schwarzwald, die die Academy gemeinsam nutzen wollen.
Unternehmertum studierenDer Führungsnachwuchs kleinerer und mittlerer Unternehmen steht auch im Fokus eines weiteren WIP-prämierten Projekts. Das Anliegen des Studiengangs 'Unternehmertum' der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe besteht darin, angehenden Unternehmern (z.B. Nachfolgern in Familienbetrieben oder Gründern) eine umfassende Ausbildung zu bieten. In dem dreijährigen Studium geht es daher nicht nur um die Vermittlung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse, auf dem Programm stehen auch Fächer wie Organisation und Führung, Markt und Kommunikation sowie Innovation. 'Alle Themen werden grundsätzlich aus der Unternehmerperspektive behandelt', so Studiengangsleiter Professor Armin Pfannenschwarz. Das Besondere an dem Studiengang ist darüber hinaus, dass Praxis- und Theoriephasen wöchentlich im Wechsel stattfinden: Die Teilnehmer arbeiten von Montag bis Donnerstag in ihrem Betrieb und absolvieren die Präsenzteile des Studiums an den Freitagen und Samstagen. Die Verknüpfung wird dadurch verstärkt, dass sie Inhalte des Studiums in Praxisprojekten im eigenen Unternehmen umsetzen. Diese starke Ausrichtung auf den Bedarf von KMU beeindruckte die WIP-Jury.
Mit virtuellem Sightseeing Planungskompetenz ermittelnEnervierend für die Juroren war dagegen die Auseinandersetzung mit den Bewerbungen, die für den WIP-Sonderpreis eingereicht worden waren. Dieser sollte 2011 einem Konzept aus dem Bereich Kompetenzfeststellung zukommen. 23 der 81 WIP-Bewerbungen entfielen auf die Sonderkategorie. 'Leider waren sie von ungewohnt geringer Qualität', resümiert Jury-Mitglied Hans-Joachim Schade. Ein Manko vieler Konzepte besteht dem Berufsbildungsforscher zufolge darin, dass es den Entwicklern der Tools an einer klaren, umgrenzten Zielsetzung fehlt. Ein eingereichtes Konzept schaffte es dann aber doch, die Jury regelrecht zu begeistern: Der 'Tour-Planer', entwickelt von Viktoria Arling am Institut für Psychologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Es handelt sich dabei um ein Planspiel, bei dem es darum geht, eine einzelne, klar definierte Kompetenz zu ermitteln: die Planungskompetenz. Die Spieler sollen eine Sightseeing-Tour durch eine fiktive Stadt organisieren. Dabei gilt es immer wieder Entscheidungen zu treffen, für die es Punkte gibt. Am Punktstand ist laut Arling zu erkennen, wie groß die Planungskompetenz des Probanden ist – woraus sich dann sein Trainingsbedarf oder Empfehlungen für seine Berufswahl ableiten lassen. Außerdem kann das Tool (bei dem sich verschiedene Schwierigkeitsgrade wählen lassen), auch als Trainingsmittel Verwendung finden.
Ursprünglich entwickelt wurde das Spiel zwar für Teilnehmer von beruflichen Rehabilitationsprogrammen. Es eignet sich jedoch auch für andere Einsatzbereiche, so Arling. Getestet wird der Einsatz derzeit z.B. im Rahmen der beruflichen Erstausbildung an der RWTH Aachen. Das aufgrund seiner Objektivität und Validität von der BIBB-Jury prämierte Verfahren, das bereits in zehn Berufsförderungswerken und bei freien Bildungsträgern zum Einsatz kommt, soll in Zukunft laut Arling auch auf breiter Basis vermarktet werden – indem Trainer Lizenzen für den Einsatz erwerben können.
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Die WIP-Preisträger 2011Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), Nürnberg, www.f-bb.de: 'ABC zum Berufserfolg'. Es handelt sich um ein Integrations- und Qualifizierungsmodell für die berufsorientierte, fachspezifische Alphabetisierung funktionaler Analphabeten, zu dem u.a. Praktika sowie eine individuelle Lernberatung gehören.
Mario Neumann, Bondorf, www.marioneumann.com: 'Talent Academy – Akademie für den Führungsnachwuchs'. Die Talent Academy ist ein einjähriges Förderprogramm für Mitarbeiter mit Führungspotenzial, einschließlich Praxisprojekten und konsequenter Einbeziehung von Topführungskräften (z.B. Bereichsleitern) als Mentoren, Referenten, Co-Teilnehmer und Feedbackgeber.
Duale Hochschule Karlsruhe, www.studiengang-unternehmertum.de: 'Studiengang Unternehmertum'. Das berufsbegleitende dreijährige Studium verhilft Jung-Unternehmern, Gründern, Nachfolgern und anderen Selbstständigen zu unternehmerischer Handlungskompetenz. Es zeichnet sich durch interaktive Lernformen und eine enge Verknüpfung mit der Praxis aus.
Mathias Hochschule, Rheine, www.mhrheine.de: 'Weiterbildung zum Diabetesberater DDG'. Eine berufsbegleitende Qualifizierung für Beschäftigte in Gesundheitsberufen, die zu Spezialisten für die nichtärztliche Begleitung von Diabetikern fortgebildet werden.
Innenministerium Baden-Württemberg, Landespolizeipräsidium, Referat 33 – Polizei Online, www.polizei-online.de: 'VIPOL – Virtuelles Training für Polizeieinsatzkräfte'. Das Serious Game bietet Polizeibediensteten Trainingssettings, deren Durchführung in der Realität sehr zeit- und kostenaufwendig wäre. Komplexe Situationen – etwa das Zusammenspiel von Bodenkräften und Hubschrauberbesatzungen bei einem gefährlichen Einsatz – lassen sich dank 3-D-Technik realitätsnah trainieren.
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Institut für Psychologie, www.psych.rwth-aachen.de: 'Der Tour-Planer'. In dem Planspiel gilt es, den Ablauf einer Sightseeing-Tour in einer virtuellen Stadt zu planen. Die Anzahl richtiger oder falscher Planungsschritte gibt Auskunft über das Ausmaß der Planungskompetenz eines Spielers. Das Tool mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden kann auch zum Training verwendet werden.