Professor Dr. Walter Simon will Führungskräfte zur Lektüre guter Fachbücher animieren. Sein Köder: eine zweistündige Book-Vernissage, bei der er einem Kreis interessierter Manager die aus seiner Sicht besten Fachbücher der Saison vorstellt. Neben der kulturellen Mission steht indes offenbar auch eine geschäftliche Motivation: Simon bietet zu Inhalten der Bücher auf Wunsch „Umsetzungscoachings“ an. Alles also bloß eine Marketingkampagne? managerSeminare hat nachgehakt.
Herr Professor Simon: Was haben Führungskräfte von Ihrer Book-Vernissage?Prof. Dr. Walter Simon: Jährlich erscheinen in Deutschland etwa 8.000 neue Managementbücher – wovon sich viele bei genauerem Hinsehen als Seifenblase entpuppen. Angesichts der Überflutung greifen Führungskräfte gern zu Abstracts. Erfolgen solche Zusammenfassungen der Kernaussagen eines Buches jedoch als Präsentation in der Gruppe, dann ist ein sofortiger Meinungsaustausch möglich. Den rezensierenden Experten kann man um Rat fragen. Zugleich ist die Book-Vernissage ein Weg, Topmanager in eine Weiterbildung zu bringen. Inhalte werden hier eventförmig „verabreicht“, ohne dass der Eindruck von Schulung entsteht.
Sie verbinden mit Ihrer Veranstaltung auch ein Plädoyer fürs klassische Buch. Unterschätzen Führungskräfte heute den Wert des Lesens?Simon: Sie lesen nicht zu wenig, sie quälen sich durch diverse Fachzeitschriften und mehrere Tageszeitungen. Doch statt fünf Zeitungen halb, sollten sie lieber eine richtig lesen. Führungskräfte lesen zudem kaum noch Bücher. Das betrifft sowohl Fach- als auch schöngeistige Literatur. Das visuell-mediale Zeitalter hat sie – wie uns alle – vom Lesen entwöhnt. Bei Führungskräften kommt noch der Zeitdruck hinzu. So sprechen sie über Bücher, ohne sie zu kennen. Oder sie lesen in aller Hast, ohne sich vorab zu fragen, was ihnen die Lektüre dieses speziellen Autors, dieses Buches, bringen kann. Dabei zeigt sich Lernfähigkeit unter anderem daran, ob jemand Fachliteratur richtig nutzt. Dann ist Lesen tatsächlich eine wirkungsvolle Bildungsinvestition. Der Konsum von Büchern ist ein Indikator für den Bildungsgrad und die Wettbewerbsfähigkeit einer Gesellschaft. Die Italiener geben durchschnittlich 65 Euro im Jahr für Bücher aus, die Norweger 208 Euro pro Jahr. Wir belegen einen Mittelplatz mit 140 Euro. Aber man muss genau hinsehen, ob die Bücher tatsächlich gelesen werden oder nur zur Dekoration des Chefzimmers genutzt werden.
Welche Bücher werden Sie als Erstes vorstellen, wenn ein Kunde Sie bucht?Simon: Wenn die Herbstprogramme der Verlage auf dem Tisch liegen und die Buchmesse ihre Türen öffnet, haben wir mehr Klarheit als zu dieser Jahreszeit. Es ist eine schwere Aufgabe, aus Hunderten von Titeln jene fünf bis zehn herauszufinden und zu bewerten, die einen Erkenntnisgewinn bescheren. Dennoch stehen einige Titel schon jetzt auf meiner Liste: Hermann Simon mit seinen 'Hidden Champions des 21. Jahrhunderts'. „Der Halo-Effekt“ von Phil Rosenzweig, das Wirtschaftsbuch des Jahres. Matthias Horx und andere mit ihrem Arbeitsbuch „Zukunft machen“. Natürlich stelle ich auch mein neues Buch „Kursbuch Strategieentwicklung – Analyse, Planung, Umsetzung“ vor, das im Mai 2008 im Redline Verlag erschienen ist. Ich werde zudem diesen oder jenen Nachwuchsautor präsentieren, denn auch in der zweiten Liga wird gut gedacht und geschrieben.
Sie bieten den Kunden an, bei Interesse ein Umsetzungscoaching zu den Inhalten der Bücher bei Ihnen zu buchen – jedenfalls sofern es sich um Inhalte handelt, die Sie abdecken können. Hand aufs Herz: Ist die Veranstaltung nicht auch als Marketingplattform für Sie als Trainer und Berater gedacht?Simon: Ein klares Ja, auch ohne die Hand aufs Herz zu legen. Das Produkt Book-Vernissage verkauft sich letztlich nur über den rezensierenden Experten. Trainingsprodukte tragen zwar Namen wie Führungsseminar oder Verkaufstraining, aber letztlich ist doch der Trainer das Produkt. Alle freiberuflich tätigen Trainer und Berater sind mehr mit ihrem Selbst-Marketing als mit dem Training beschäftigt. Sachbotschaften werden subtil über die Selbstdarstellung transportiert. Sie richten die Scheinwerfer auf sich und läuten die Glocke, selbst wenn sie höchst Belangloses sagen. Das sind die Zwänge der Casting-Gesellschaft.