Szene aus einer Management-Sitzung: Man wurde sich mal wieder nicht einig. Stundenlang hatte der Führungskräfte-Kreis über Unternehmenskultur diskutiert, sich über Fragen des Führungsstils die Köpfe heiß geredet. Am Ende war ein halber Tag mit Blabla vertan...
'Das muss nicht sein', sagt der Berliner Unternehmensberater Claus Noppeney. Er setzt auf die Kraft des Bildes, drückt den Mitarbeitern eine Kamera in die Hand und entlässt sie mit dem Auftrag: 'Fotografieren Sie alles, woran in Ihrer Organisation Management sichtbar wird.' Dieses Vorgehen - eine 'Erfindung' von Noppeney und dem Hamburger Künstler Armin Chodzinski - trägt den Namen Visual Management.
Auf Grund der Foto-Pirsch der Mitarbeiter entstehen in kurzer Zeit Bilder-Sammlungen aus dem Alltag der Arbeit. Die Fotos der Mitarbeiter sind freilich kein Selbstzweck. Am Ende der Foto-Sessions sammelt Noppeney die Kameras ein, und wenn die Bilder vorliegen, ruft er die Beteiligten zur Kultur-Diskussion. Ergebnis, so das Versprechen von Visual Management: Keine nervigen Endlos-Debatten mehr. Denn: Bei der Kultur-Diagnose per Foto könne sich jeder auf dasselbe Bild vom Unternehmen beziehen - unverzerrt dokumentiert durch die Kameras.
Visual Management fokussiere die Diskussion über Geist und Stil des Hauses, sagt Noppeney, der seine Methode beim ISC-Symposium in St. Gallen erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt hat. 'Wenn auf den Dias nur aufgeräumte Büros, abgeschlossene Schränke und sterile Konferenzräume zu sehen sind, dann ist das ein authentisches Statement über die Unternehmenskultur', sagt der Consultant.
Gute Erfahrungen hat Claude Siegenthaler mit Visual Management gemacht. Der Inhaber der Sinum AG nahm selbst den Fotoapparat in die Hand. 'Über die Fotos sah ich Dinge, die ich früher nie wahrgenommen habe', beschreibt der St. Galler Software-Unternehmer. Bei den anschließenden Auswertungsrunden hätten Dinge im Team angesprochen werden können, die früher unmöglich hätten thematisiert werden können - etwa typische Handlungsmuster, Spannungen einzelner Teammitglieder, den verbreiteten Arbeitsstil. Siegenthaler schätzt an Visual Management, dass über Bilder alles mit einer gemeinsamen Wahrnehmung unterlegt sei. Chef und Mitarbeiter reden über dasselbe - und können so schnell zu einer Lösung mit der nötigen Agenda kommen.
Visual Management greift auf bekannte Einsichten zurück: Sehen ist der wichtigste aller Sinne. Eine Bild-Information wird sechsmal schneller aufgenommen als eine Text-Information. Das Duo aus Berater und Künstler hat daraus die Konsequenz gezogen: Per Visual Management soll dem Bild als Führungsinstrument mehr Bedeutung verschafft werden.
Visual Management steckt freilich noch in den Kinderschuhen. Noppeney und Chodzinski haben beim ISC-Symposium die Pilotphase gestartet. Anwender-Erfahrungen gibt es erst wenige, für das erste Projekt, die Expedition 01, werden noch Teilnehmer gesucht. Ob es mit Visual Management gelingt, Führungskräften klar zu machen, dass ein Bild mehr sagt als 1.000 Worte? Der Auswertungsbericht des Pionier-Projekts soll Anfang 2003 vorliegen.