Toilettengänge, Tattoos und Techtelmechtel – diese Informationen über seine Angestellten sammelte der Lebensmitteldiscounter Lidl mithilfe von Videokameras. Die Überwachung kam ans Licht, der Aufschrei war groß. Und auch wenn schnell klar war, dass der Konzern aus Neckarsulm übertrieben hatte, herrscht seitdem Verunsicherung unter den Arbeitgebern: Wann und unter welchen Bedingungen darf die Kamera laufen? Diese Frage diskutierten Rechtsexperten auf der Zukunft Personal am 10. September in Köln.
Erörterung tut in dieser Frage not, wie die Juristen zugaben. Denn die Rechtslage ist in Sachen Videoüberwachung nicht eindeutig, so Professor Peter Gola, Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. Generell darf ein Arbeitgeber dann zum Aufnahmegerät greifen, wenn er ein besonderes Schutzbedürfnis geltend machen kann und sich etwa vor Dieben aus den eigenen Reihen retten muss, erklärte Gola. Allerdings gelten hier zwei Grundsätze: Erstens muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Umfassende Kamerainstallationen wegen drei fehlenden Kugelschreibern sind nicht rechtens. Zweitens müssen die Mitarbeiter darüber informiert werden, dass die Kamera läuft, und der Betriebsrat muss – wenn vorhanden – zustimmen. Â
Soweit, so übersichtlich. Doch in der Praxis ist die Rechtsprechung weniger eindeutig. So gewann im Jahr 2003 ein Getränkemarkt, der eine Mitarbeiterin heimlich überwachen ließ, einen Prozess vor dem Bundesarbeitsgericht. Der Laden hegte den begründeten Verdacht, dass die Kassiererin regelmäßig Geld unterschlug. Mithilfe von Videoaufnahmen konnte er die Übeltäterin überführen. Die Videoüberwachung sei als letztes Mittel der Aufklärung rechtens gewesen, meinten dazu die Richter.
'Diese Entscheidung sollte aber niemand zum Anlass nehmen, auf heimliche Videoüberwachung zu setzen. Ein anderes Gericht wird vielleicht anders entscheiden', erklärte dazu Professor Dr. Peter Wedde von der FH Mainz. Der Arbeitsrechtler warnte: 'Videoüberwachung bleibt in vielen Fällen eine Gratwanderung.'