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Trendschau Learntec

Konturen von New Learning

Die Kongressmesse Learntec boomt. An der Trendschau des digitalen Lernens ließ sich Ende Januar 2020 ablesen, wie stark das Interesse von Unternehmen an neuen Technologien ist – und an einer Weiterbildung, die mit den Veränderungen der Arbeitswelt mithalten kann. Erste Umrisse dieses New Learning wurden in Karlsruhe deutlich.

Die Learntec, die vom 28. bis 30. Januar 2020 in Karlsruhe stattgefunden hat, ist in doppeltem Sinne Trendschau fürs digitale Lernen. Zum einen zeigte sie in ihrer 28. Wiederholung, wie sehr die Branche boomt und wie rasant die Bedeutung steigt, die Unternehmen dem Thema Lernen beimessen. Das belegen die Zahlen der 'Leitmesse Europas', wie sich die Learntec selbstbewusst nennt: Mit mehr als 400 Ausstellern und 15.000 Besuchern hat sie die bisherige Bestmarke aus dem Vorjahr um ein Drittel übertroffen â€“ und rechnet für das Jahr 2021 mit weiterem Wachstum.

Zum anderen ließ sich an der Learn­tec ablesen, in welche Richtung sich das digitale Lernen entwickelt. 'Trendthemen dieser Messe waren vor allem Virtual-Reality-Anwendungen, Augmented Reality und künstliche Intelligenz', fasste Sünne Eichler, Mitglied im Kongress-Komitee der Learntec, die Richtung zusammen.

Ebenso viel Bewegung wie auf der Produkt- ließ sich auf der Anwender-Seite beobachten. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie die technologischen Möglichkeiten so genutzt werden können, dass sie zu einer Arbeitswelt passen, die immer mehr von Digitalisierung, Agilisierung und New Work geprägt ist und in der die Zusammenarbeit mit Smart Machines und künstlicher Intelligenz zunehmend eine Rolle spielt. Vor allem in den mehr als 80 Vorträgen und Workshops im Kongress-Teil der Learntec wurde diese Frage diskutiert. Die Antworten ließen erste Konturen dieser neuen Weiterbildung für die neue Arbeitswelt erkennen.

Vom Angebot zum Lernökosystem

Anders als noch vor einigen Jahren ging es dabei weniger um Lösungen, die für alle Weiterbildungsbedarfe passen. Einen anderen Weg zeigte Irene Oksinoglu, bei der Otto GmbH für das Projekt FutureWork zuständig, in Karlsruhe auf. Otto hat Fähigkeiten wie Vernetzung, Ko-Kreativität, Kommunikation, individuelles Arbeiten und Selbstverantwortung als entscheidend für New Work identifiziert. Die Antwort, um diese Form von Arbeit durch Lernen zu unterstützen, sieht Otto in dem Begriff Vielfalt – und der Freiheit, aus der Vielfalt zu wählen. Oksinoglu verglich das Lernangebot von Otto mit einem Büfett, von dem sich Mitarbeitende frei bedienen können. Dementsprechend werden Lern­inhalte immer in unterschiedlicher Form angeboten – als Text, als Podcast, als Seminar oder durch persönlichen Austausch mit Experten.

Vielfalt muss dabei oft nicht erst geschaffen, sondern vielmehr organisiert werden, zeigte sich Christian Böhler, Senior International HR Expert and Agile Coach bei innogy SE, überzeugt. In vielen Unternehmen gibt es seiner Meinung nach schon eine Menge an Tools und Angeboten, die nicht genutzt werden, weil sie kaum bekannt oder schlecht zu finden sind. Böhler sieht daher die Personalentwicklung weniger in der Verantwortung, sich um neue Lernangebote zu kümmern, als darin, diesen verstreuten Content zu bündeln und zugänglich zu machen.

Der Schlüsselbegriff dazu lautet 'Lernökosystem', verstanden als 'vernetztes, dynamisches Zusammenspiel von Menschen, Inhalten, Technologien und Formaten, das der Weiterentwicklung von Kompetenzen dient', wie Susanne Vehreschild von der Audi AG auf dem Kongress definierte. Wichtiger als die technische Grundlage ist dabei, Weiterbildung nicht vom Angebot, sondern vom Lerner her zu denken. Nicht eine Lernplattform gelte es zu schaffen, sondern eine Lernumgebung, die von den individuellen Bedürfnissen der Nutzer ausgeht und an dem permanentes und selbstorganisiertes Lernen am Arbeitsplatz möglich ist.

Smart Learning Environments

'Umgebung' ist dabei aber nicht nur virtuell zu verstehen, sondern auch als physischer Raum. Das ist jedenfalls der Ansatz, den Sirkka Freigang vorstellte. Sie gestaltet bei der Bosch.IO GmbH sogenannte Smart Learning Environments und war auf der Learntec im FutureLab anzutreffen. SLEs sind phyische Lernumgebungen, die Technologien wie das Internet der Dinge und Augmented Reality nutzen, um ortsabhängige Informationen auszuspielen und damit Lernen am Arbeitsplatz zu unterstützen. Mit dieser Technik können Mitarbeitende zum Beispiel den Status von Maschinen erfahren oder lernen, wie man sie richtig bedient. Die Grenze zwischen analog und digital soll dadurch ebenso verwischen und wie die zwischen Lernen und Arbeiten.Erstmals gab es das 'FutureLab': eine Erlebnisfläche, auf der die Besucher Zukunftstechnologien und -visionen rund ums digitale Lernen kennenlernen konnten.

Kultur permanenten Lernens

Zu den Umrissen einer neuen Weiterbildung, wie sie auf der Learntec entworfen wurde, gehört eine Kultur des 'Continuous Learning', in der Arbeiten und Lernen bruchlos Hand in Hand gehen. Prominenteste Vertreterin dieser Auffasung war die Corporate-Learning-Expertin Jane Hart, seit vergangenem Jahr ebenfalls Mitglied im Kongress-Komitee der Learntec. Hart zufolge kommen damit auf alle Akteure neue Aufgaben und Rollen zu. So müssen es sich die Mitarbeitenden zur Gewohnheit machen, täglich Neues zu lernen und aus der anfallenden Arbeit möglichst viel professionelle Weiterentwicklung herauszuholen. Führungskräfte müssen diesen Prozess unterstützen, indem sie Lernfähigkeit fördern und belohnen. Außerdem müssen sie Hart zufolge ständiges Lernen vorleben, Mitarbeitenden entsprechende Zeiten zum Lernen einräumen und zu Reflexionen und zum Wissensaustausch ermutigen.

HR als agile Lernbegleiter

Besonders deutlich wandelt sich Hart zufolge die Rolle der Learning and Development Professionals. Statt Lernbedarfe zu ermitteln, Angebote zu entwickeln und Lernerfolg zu messen, kommt ihnen die Aufgabe zu, Selbstlernkompetenzen aufzubauen und -prozesse zu unterstützen, etwa indem sie tägliche Micro-Learning-Angebote machen und Lernressourcen anbieten oder kuratieren. Sünne Eichler formulierte es so: 'Personalentwickler und Trainer sind nicht länger die Hüter des Wissens, sondern Lernberater und Moderatoren, die Lernende dabei unterstützen, sich Dinge selbst zu erarbeiten.'

Mit der Rolle ändern sich auch die Arbeitsweisen von HR, wie Susanne Vehreschild und Patrick Zöbisch von der Audi AG darlegten. Ihrer Argumentation zufolge tut das HR-Management gut daran, seine 'Produkte' agiler als bislang zu entwickeln und dabei die Customer bzw. Learner Journey im Auge zu behalten. So hat der Autobauer beispielsweise einen sogenannten Kreathon veranstaltet, um die Bedürfnisse der Lernenden, zu erfassen und deren Anforderungen in User Stories und Epics abzubilden – und so ein Lernökosystem zu schaffen, das Customer/Learner Value ebenso wie Business Value hat.

Einbindung von Smart Machines

Ein weiterer Eckpfeiler einer Weiterbildung für die neue Arbeitswelt bezieht sich auf das Zusammenspiel von Menschen und Smart Machines. Christoph Meier vom Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen zufolge befinden wir uns in der zweiten Welle der Digitalisierung, in der es nicht mehr um die Erfassung und Verarbeitung von Daten geht, sondern darum, sie zu verstehen, zu veredeln und aktiv zu nutzen, etwa in Form von KI-Anwendungen.

Anders als oft in Schreckensszenarios verbreitet, geht es nicht darum, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Vielmehr verändern sich unsere Jobs, weswegen wir etwas brauchen, was Meier Fusion Skills nennt: die Fähigkeit, mit smarten Maschinen zusammenzuarbeiten. Denn wie auch der Keynote Speaker Reinhard Karger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz am zweiten Kongresstag betonte, sind auch die besten Maschinen nicht per se leistungsfähige Tools, sie werden es erst durch Menschen, die sie trainieren, ihre Ergebnisse verbessern, sie steuern und weiterentwickeln.

Für Personalentwickler heißt das, dass sie diese Fusion Skills nicht nur fördern und bereitstellen müssen, sondern auch selbst auf der zweiten Welle der Digitalisierung reiten müssen. Meier zitierte an dieser Stelle Thomas H. Davenport und Julia Kirby. Laut den Autoren des Buches 'Only Hu­mans Need Apply' haben sie – wie wir alle – fünf Möglichkeiten, die eigene Profession voranzutreiben:
  • Step in: KI-basierte Systeme und ihre Grenzen kennen und effektiv einsetzen
  • Step up: die Ergebnisse von Smart Machines bewerten und über ihren Einsatz entscheiden
  • Step aside: auf Aufgaben fokussieren, die spezifisch menschliche Kompetenzen erfordern (Kreativität, Pro­blemlösung, Motivation etc.)
  • Step narrow: Nischen suchen, die von KI vorerst nicht beeinflusst werden können
  • Step forward: Weiterentwicklung digitaler bzw. KI-basierter Systeme

In ihrer 28. Wiederholung zeigte die Learntec ein umfassendes Bild der Möglichkeiten, Chancen und Aufgaben von (Weiter-)Bildung im neuen Jahrzehnt. Die Kongressmesse geht dabei selbst voran: Eine neue zusätzliche Halle soll im nächsten Jahr neben dem Schwerpunkt Corporate Learning den Bereich Lifelong Learning stärker thematisieren.

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